Kampf ums Weiße Haus Ist Trump gut oder schlecht für US-Homosexuelle? Um diese Deutungshoheit wird in diesen Tagen heftig gestritten.
In weniger als einer Woche wählt Amerika einen neuen Präsidenten – während queere Verbände alles versuchen, die LGBTI*-Community hinter Kamala Harris zu bündeln, touren homosexuelle Republikaner auf Stimmenschwang gerade durch die umkämpften Swing States. Dabei offenbaren sie: So geeint wie erhofft ist die US-Community auch unter LGBTI*-Menschen keineswegs.
Homosexuelle Events für Trump
Bei der letzten US-Wahl gaben 28 Prozent der Homosexuellen und queeren Menschen Donald Trump ihre Stimme, dieses Mal sollen es 50 Prozent aller schwulen und lesbischen Wähler sein, wünscht sich zumindest Charles Moran, Präsident der Log Cabin Republicans, der landesweit größten Organisation für homosexuelle Republikaner.
In den letzten Tagen gab es viele der sogenannten „Trump UNITY-Veranstaltungen“ der homosexuellen Trump-Anhänger in Großstädten von umkämpften Staaten wie Georgia, Wisconsin und Michigan. Diese Woche kurz vor der Wahl stehen noch Philadelphia und Pittsburgh an.
Namhafte Redner sind dabei immer wieder vor Ort, von Mitgliedern der Trump-Familie wie auch offen schwule Politiker, die in den ersten vier Jahren seiner Präsidentschaft für Trump gearbeitet haben – dazu gehören unter anderem Andrew Wheeler, der während der Trump-Regierung die Umweltschutzbehörde leitete, der ehemalige amtierende Generalstaatsanwalt Matthew Whitaker und der ehemalige amtierende Direktor des Nationalen Nachrichtendienstes Ric Grenell sowie auch weitere homosexuelle Abgeordnete der Republikaner.
Weg von der Opfermentalität
Im Frühjahr dieses Jahres legte eine Studie nahe, dass nur noch elf Prozent der US-Homosexuellen LGBTI*-Themen für wahlentscheidend halten. Ähnlich sehen das die Besucher der Veranstaltungen gegenüber NBC News: „Ich wähle nicht wegen der Gleichstellung der Ehe oder der LGBTI*-Rechte. Ich gehe wählen, weil ich mehr Geld im Portemonnaie haben will. Ich möchte, dass meine Gemeinde sicher ist, und ich möchte in der Lage sein, eine Familie zu gründen und zu wissen, dass sie in Zukunft sicher sein wird“, so der 23-jährige schwule Gage West.
Und Don Webber, ein 57-jähriger schwuler Unternehmer aus dem Finanzsektor, erklärt: „Die LGBTI*-Community muss von dieser Opfermentalität wegkommen. Das haben wir hinter uns. Wir haben diese Ebene der Gleichberechtigung erreicht. Ich konzentriere mich mehr auf meine Kinder und Enkelkinder, die Wirtschaft und die Sicherheit unserer Grenzen.“
Ähnlich sieht das auch der schwarze schwule Social-Media-Influencer Rob Smith (42): „Wir sind auf Bundesebene vor Diskriminierung geschützt – das ist eine Tatsache. Wir haben das Recht, zu heiraten. Wir haben das Recht, offen im Militär zu dienen. Ich denke also, dass die Probleme, mit denen dieses Land konfrontiert ist, im Grunde viel größer sind als jede kleine Gruppe.“
Gleichberechtigung für alle
Ebenso immer wieder vor Ort ist auch Trumps Spendensammler Bill White, offen schwul seit vielen Jahren. Er betont, dass Trump keine Gesetze gegen Homosexuelle erlassen habe und auch privat nichts gegen Schwule und Lesben hat. Bei fast jeder Wahlkampfveranstaltung ertöne zudem „Y.M.C.A.“ von den Village People aus den Lautsprechern: „Was macht der Kerl bei jeder Kundgebung? Er hebt die Hände in die Luft und tanzt zur inoffiziellen schwulen Nationalhymne, um Himmels willen.“
Er und Präsident Moran betonen zudem mit einem Blick auf die Veranstaltungen, wie gemischt das Publikum ist – nebst Homosexuellen sind auch immer wieder viele heterosexuelle Republikaner vor Ort. „Es geht nicht nur um Schwule und Lesben. Es geht um die Gemeinschaften, denen die Gleichberechtigung wichtig ist.“
LGBTI*-Menschen sind wahlbereit
Queere Verbände indes werden nicht müde zu betonen, dass Donald Trump eine Gefahr für LGBTI*-Menschen sei. Konkret werden dabei immer wieder queere Errungenschaften betont – so will Trump bei einem Sieg geschlechtsangleichende Behandlungen von Trans-Jugendlichen abschaffen, er spricht von „Kindesmissbrauch“ und „sexueller Verstümmelung“. Laut der queeren Lobbyorganisation Human Rights Campaign wollen über 90 Prozent der LGBTI*-Amerikaner an diesem Sonntag wählen gehen, 74 Prozent wollen demnach ihre Stimme Kamala Harris geben. Unabhängige repräsentative Umfragen dazu gibt es nicht.
Verrat an der Community?
Brandon Wolf, der Sprecher einer LGBTI*-Lobbygruppe für Kamala Harris, verurteilt indes Homosexuelle, die sich für Trump aussprechen: „Manche Leute mögen die Nähe zur Macht, und Donald Trump ist jemand, der ständig mit der Macht im Tausch gegen andere Dinge hausieren geht. Es ist bedauerlich, dass es Gruppen wie die Log Cabin Republicans gibt, die bereit sind, die Community zu verraten, um sich bei jemandem wie Donald Trump anbiedern zu können.“
Und Sam Alleman, der Direktor für LGBTI*-Engagement der Harris-Kampagne, betont, Harris sei die „einzige Führungspersönlichkeit in diesem Rennen“, die für LGBTI*-Personen kämpfe: „Donald Trumps oberflächliche Ansprache von LGBTI*-Wählern in letzter Minute ist ein verzweifelter Versuch, die Wähler von seinem Plan abzulenken, den Diskriminierungsschutz für LGBTI*-Amerikaner zurückzudrehen und der Regierung die Kontrolle über unsere Körper zu geben.“