ESC in der Schweiz Wie willkommen ist LGBTIQ+ wirklich beim Eurovision Song Contest in dieser Woche in Basel?
Am gestrigen Sonntag wurde die ESC-Woche in Basel feierlich eröffnet, morgen steht das erste Halbfinale an – derweil diskutiert die LGBTIQ+-Community, wie willkommen Schwule, Lesben, Bisexuelle und queere Menschen in dieser Woche in der Schweiz wirklich sind. Die Debatten haben inzwischen ein solches Ausmaß angenommen, dass die Gastgeberstadt Basel offenbar nun beschwichtigen muss und erklärte, beim Eurovision Song Contest sei „jeder willkommen“.
Holpriger ESC-Start in der Schweiz
Immer wieder war es im Vorfeld zu Unstimmigkeiten gekommen, zuerst hatten Konservative versucht, den ESC ganz zu verhindern und ihm Gotteslästerung vorgeworfen. Der internationale Musikwettbewerb sei zu queer und daher ein Imageverlust für das Land. Erst eine Volksabstimmung sorgte für Klarheit, rund 66 Prozent der Schweizer votierten für den ESC. Dann sorgte das geplante Rainbow Village für Schlagzeilen, ein gigantischer Safe Space während der ganzen ESC-Woche mit vielen Events in der Baseler Kaserne. Kurzfristig entsagte die Stadt dem Vorzeige-Projekt die finanziellen Mittel, sodass der Plan scheiterte.
Verbot von Pride-Flaggen beim ESC
Zuletzt bekräftigte nun der offizielle Ausrichter, die European Broadcasting Union (EBU), dass Pride-Flaggen für die Künstler sowohl in den Umkleidekabinen wie auch auf der Bühne verboten sind – und bleiben. Einzig die eigene Nationalfahne dürfe mitgeführt werden. Die Fans selbst dürfen indes jede beliebige Flagge in die Arena mitbringen. Letztes Jahr hatte der Schweizer Shootingstar Nemo nach dem Sieg die Flagge der nicht-binären Community auf die Bühne „geschmuggelt“ – entgegen den Richtlinien.
Das Festhalten an dem Verbot der Regenbogenflagge sowie anderer Fahnen der Community sei laut dem Schweizer LGBTIQ+-Verein Pink Cross ein „Schlag ins Gesicht.“ Und weiter: „Es sendet die falsche Botschaft zu einer Zeit, in der queere Gemeinschaften in ganz Europa mit zunehmender Feindseligkeit konfrontiert sind.“ Die EBU erwiderte indes, dass die Richtlinien Klarheit und Ausgewogenheit schaffen. Und weiter: „Die Eurovision braucht keine Flagge, um ihre Verbundenheit mit der LGBTIQ+-Gemeinschaft zu demonstrieren und zu feiern.“
Eine Frage der Sicherheit
Letzteres ist in diesen Tagen Gegenstand hitziger Diskussionen angesichts der Vorfälle der letzten Monate. Ein zweites Thema in der queeren Schweizer Community ist der Aspekt Sicherheit, nachdem auch im Alpenland die Fälle von Hasskriminalität rapide angestiegen sind und sich zuletzt sogar binnen eines Jahres verdoppelt haben. Insgesamt sind in dieser Woche bis zum Finale am kommenden Samstag 1.300 Polizeibeamte im Einsatz, Basel selbst spricht von einem „einzigartigen Sicherheitskonzept“ samt „mobiler Sensibilisierungsteams“, sicherer Rückzugsorte für Opfer von Gewalt und Anfeindungen und einer 24-Stunden-Not-Hotline. Verschärft wird die Lage durch die letzten Äußerungen von Nemo selbst, der forderte, Israel vom Gesangswettbewerb auszuschließen. Wie im letzten Jahr erwarten die Behörden auch in Basel womöglich Tausende von pro-palästinensischen Demonstranten.
Stärkung von europäischem Image
Basel will das Image einer friedlichen und queer-freundlichen Stadt besonders betonen, Regierungschef Conradin Cramer erklärte, dass die Stadt mit nur 175.000 Einwohnern bereit sei für die geschätzte halbe Million ESC-Besucher, Basel sei außerdem das Herz Europas: „Das sind unsere europäischen Werte. Menschen und Nationen kommen zu einer freundschaftlichen Meisterschaft zusammen. Wer auch immer du bist, ob du jung bist, ob du nicht so jung bist, ob du hetero bist, ob du schwul bist, ob du weiblich, männlich oder nicht-binär bist, das ist alles völlig in Ordnung. Und ich denke, das ist nicht nur das, wofür Basel steht, das ist das, wofür Europa stehen sollte.“
Die Schweiz war zuletzt vor 36 Jahren Gastgeberin des internationalen Musikwettbewerbs, nachdem 1988 Celine Dion gewonnen hatte – ob die schwer kranke Sängerin beim Finale in diesem Jahr erneut auftreten kann, ist noch unklar. Acht Jahre lang hatte es die Schweiz seit der Jahrtausendwende nicht zur ESC-Qualifikation geschafft, letztes Jahr holte Nemo den Pokal in die Schweiz.