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Gegenwind für Kamala
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Gegenwind für Kamala Alle LGBTI*-Amerikaner wollen Kamala Harris als nächste US-Präsidentin?! Nicht wirklich!

ms - 15.08.2024 - 15:00 Uhr

Die ganze LGBTI*-Community steht hinter Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris – diesen Eindruck versuchen verstärkt seit rund drei Wochen diverse LGBTI*-Organisationen in den USA zu vermitteln. Allein, so ganz der Wahrheit scheint dies nicht zu entsprechen, der Protest gegen die Präsidentschaftskandidatin der Demokraten wird auch innerhalb der Community immer lauter. 

LGBTI*-Wähler könnten die Wahl entscheiden

Die Taktik, die ganze LGBTI*-Community hinter Kamala Harris zu vereinen, ist dabei unter den amerikanischen queeren Verbänden zu einem Narrativ geworden, wohlweislich auch, weil Wählerbefragungen zuletzt aufzeigten, dass LGBTI*-Themen für die meisten LGBTI*-Menschen in den USA keine Rolle mehr bei der kommenden Präsidentschaftswahl spielen werden. Gerade mal noch elf Prozent der Homosexuellen im Land halten LGBTI*-Inhalte für wahlentscheidend. Dazu kommt die Tatsache, dass bereits bei der letzten Wahl fast jeder dritte LGBTI*-Mensch sein Kreuz bei Donald Trump gemacht hatte. Die Angst ist daher groß, dass sich die Geschichte nun wiederholen könnte. 

Erst in diesen Tagen betonte so auch Sam Lau, Vizepräsident für Kommunikation bei der LGBTI*-Organisation Human Rights Campaign: „LGBTI*-Wähler und ihre Verbündeten können den entscheidenden Unterschied bei den Wahlen im ganzen Land ausmachen. Wir erwarten, dass eine kleine Handvoll von umkämpften Staaten und Kongressbezirken bereits durch eine kleinste Marge entschieden werden kann.“ Der Fall Michigan bei den letzten Präsidentschaftswahlen verdeutlicht die Sachlage: Rund 5,5 Millionen Menschen hatten im US-Bundesstaat gewählt, darunter auch rund 470.000 LGBTI*-Menschen. Joe Biden gewann damals mit einem Vorsprung von gerade einmal 154.000 Stimmen. 

Einschwören auf Harris

Harris selbst beschwor deswegen ebenso in dieser Woche einmal mehr die LGBTI*-Amerikaner auf sich ein und erklärte, dass Homosexuelle und queere Menschen unter einer zweiten Amtszeit mit Donald Trump als Präsident massive rechtliche Einschnitte zu befürchten hätten. Bekräftigt wird die 59-Jährige dabei von anderen Demokraten wie dem schwulen Abgeordneten Jason Morgan: „Junge Menschen, LGBTI*-Menschen und ehrlich gesagt, alle Menschen scheinen einfach begeistert von ihr zu sein! Sie ist die eine Kandidatin! Sie ist fabelhaft. Und sie ist zäh. Und sie unterstützt unsere Gemeinschaft zu 1.000 Prozent.“ 

Angst vor wirtschaftlicher Pleite

Allein, so ganz scheinen das Harris und ihren Unterstützern nicht alle zu glauben. In Interviews mit mehreren US-Medien äußerten LGBTI*-Menschen inzwischen immer wieder ihren Plan, Trump zu wählen, wohlweislich, dass der 78-Jährige gegen einige LGBTI*-Rechte im Land vorgehen könnte, zum Beispiel im Speziellen bei Trans-Menschen. Schwerer scheint trotzdem indes die Angst vor einer wirtschaftlichen Pleite im Land zu wiegen. 

Einer, der öffentlich das Dilemma zusammenfasst, ist der schwule Bürgermeister von Menominee (Michigan), Casey Hoffman: „Ich will eine Wirtschaft mit vernünftig niedrigen Steuern. Und ich bin auch sehr, sehr besorgt über eine starke nationale Verteidigung. Ich denke, wir leben in einer sehr beängstigenden Welt.“ Hoffman spricht offenbar vielen Homosexuellen aus der Seele.

Kampf den schwulen Klischees? 

Die Organisation Log Cabin Republicans, eine der landesweit größten Organisationen für LGBTI*-Republikaner mit über 80 Ortsgruppen in vierzig Bundesstaaten, betonte in diesen Tagen erneut, warum Trump gut für die LGBTI*-Community wäre: „Donald Trump bietet allen die gleiche Möglichkeit, auf einem fairen Spielfeld die gleichen Chancen zu haben. Und genau darauf kommt es letztendlich an. LGBTI*-Wähler haben es nicht nötig, dass man ihnen schmeichelt. Wir müssen nicht hervorgehoben werden. Wir müssen einfach die gleichen Chancen auf Erfolg und Freiheit haben wie alle anderen auch“, so Vereins-Präsident Charles Moran. 

Er geht davon aus, dass sich die Anzahl der LGBTI*-Wähler, die ihre Stimme Trump geben werden, in diesem Jahr verdoppele – zuletzt stimmten 28 Prozent für ihn. „Dies ist ein Jahr, in dem wir die LGBTI*-Zahlen absolut nach oben treiben können, wir wollen so nah wie möglich an die 50 Prozent herankommen. Und das Wichtigste dabei ist, dass wir das Klischee zerstören, dass man Demokrat sein muss, wenn man schwul ist. Wir wissen, dass das nicht stimmt, auch wenn der linke Flügel und die Mainstream-Medien diese Lüge weiter verbreiten wollen. Sie ist einfach nicht wahr.“ 

Anbiederung an die Community?

Trump sei dabei der erste gewählte Präsident in der Geschichte gewesen, der die Gleichstellung der Ehe vom ersten Tag an unterstützt habe. „LGBTI*-Wähler sind jetzt an einem Punkt angelangt, an dem sie reif genug sind, um zu sagen: Es geht nicht mehr so sehr darum, ob du die Gleichstellung der Ehe oder andere LGBTI*-Themen unterstützt. Es geht um die Frage: Schafft der nächste Präsident die Voraussetzungen dafür, dass wir überleben, gedeihen, unsere Familien großziehen und unsere Geschäfte führen können?“ 

Die Anbiederung der Demokraten an die LGBTI*-Community halte er für verlogen, auch deswegen, weil die Biden-Administration an anderer Stelle sich keineswegs für die Menschenrechte von Homosexuellen eingesetzt habe, beispielsweise, wenn es um Milliardenzahlungen an den Iran ging.  

Queere Aktivisten gegen Harris 

Gegenwind bekommt Kamala Harris aber auch von ganz anderer Seite innerhalb der Community – Gruppen wie „Queers for Palestine“ und ähnlich gelagerte Verbände lehnen die Vizepräsidentin ebenso strikt ab, weil diese sich klar für Israel ausgesprochen hat. Ein 28-jähriger, nicht-binärer Einwohner von  Ann Arbor erklärt so im Interview: „Ich wäre sehr enttäuscht, sollt Harris gewählt werden, aber wenigstens ist sie nicht so eine fanatische Zionistin wie Biden. Die Demokraten wollen uns den Kopf verdrehen, wenn sie andeuten, dass es unter Trump keine gleichgeschlechtliche Ehe mehr gäbe.“ 

Es gibt dabei trotzdem Bedenken, dass Trump die Lage für Trans-Menschen im Land verschlechtern könnte, andererseits sei der republikanische Kandidat besser für die Sicherheit im Land und auch für eine bessere Umwelt, wie die 28-jährige Person weiter berichtet. Klar scheint am Ende so bisher nur: Auch um die LGBTI*-Wähler muss inzwischen verstärkt mit Argumenten gerungen werden, die alte Formel „Homosexuell gleich Demokrat“ scheint nicht mehr auszureichen. 

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