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Islamismus in Deutschland
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Islamismus in Deutschland Islamismus-Experte Ahmad Mansour kritisiert den gefährlichen „Kuschelkurs“ von Politik und queerer Community

ms - 06.12.2024 - 15:00 Uhr

Homophobe Beleidigungen, offen ausgelebter Schwulenhass oder gewalttätige Angriffe von jungen Muslimen gegen Homosexuelle – bis heute wird über das Problem vielerorts nicht sachlich oder gleich gar nicht diskutiert, auch innerhalb der Community gibt es bis heute selbstauferlegte Sprechverbote und Scheuklappen, selbst dann, wenn wie zuletzt eine Polizeipräsidentin die Problematik klar benennt.  

Die Attacken nehmen derweil weiter zu, wie die letzte Kriminalstatistik eindrucksvoll aufzeigte. Eines müsste inzwischen dabei klar sein: Durch Schweigen lösen wir die Probleme nicht – warum also schweigen wir weiter, gerade auch in der Community? SCHWULISSIMO fragte nach beim führenden Islamismus-Experten Ahmad Mansour. 

Warum haben viele deutsche Medien bis heute eine so große Angst davor, sachlich über Probleme im Bereich Islamismus zu berichten? 

Das hat mit einer immer deutlicher sichtbar gewordenen Zusammenarbeit zwischen linksradikaler Identitätspolitik, postkolonialen Kräften und Islamisten zu tun. Diese haben definiert, dass Kritik an der marginalisierten Gruppe der Muslime rassistisch und islamfeindlich wäre. Deswegen wird heute jede Beschäftigung mit dem Thema ganz schnell als rassistisch und rechtsradikal abgetan – das Ganze ist dabei Wasser auf den Mühlen der AfD. Die Islamisten gewinnen durch diese Taktik Bewegungsfreiheit und haben erreicht, dass jegliche Kritik an ihren Strukturen oder ihrem Gedankengut nicht mehr zu einer inhaltlichen Auseinandersetzung führt, was in einer Demokratie dringend notwendig wäre. 

Dieses Schweigen setzt sich ja auch an anderer Stelle fort, oder?

Ja, meine Kritik an diesem Schweigen richtet sich auch an Think-Tanks,  Universitäten oder Stiftungen, die gegründet wurden, um beispielsweise Antisemitismus zu bekämpfen. Sie alle scheinen sich nach dem 07. Oktober und dem Anschlag der Hamas in nichtssagenden Statements zu verlieren. Dabei wäre dieser Tag jener Moment gewesen, um Haltung zu zeigen, wenn man überhaupt irgendwas aus der Geschichte gelernt hat. Es geht mir auch um Universitäten, die bis heute nicht in der Lage sind, antisemitische Stimmen in ihre Schranken zu verweisen und von ihrem Hausrecht Gebrauch zu machen. 

Auch politisch gibt es diese zurückhaltende Einstellung seit einigen Jahren. 

Ich erlebe seit 2017 eine gewisse Veränderung. Seitdem fahren Grüne und SPD einen gewissen Kuschelkurs gegenüber islamistischen Akteuren sowie mit Blick auf die Identitätspolitik. Ich selbst suche den Kontakt zu jeder Partei, die demokratisch ist. Ich bin bei vielen Parteitagen gewesen und ich gehe auch weiterhin dort hin, wenn ich eingeladen bin. Wenn ich aber keinen Zugang mehr bekomme – das ist aktuell meine Erfahrung – muss man sich fragen: Habe ich mich verändert in den letzten Jahren oder sind die Akteure weit nach links abgewandert?

Auch innerhalb der LGBTI*-Community ist das Schweigen mancherorts ohrenbetäubend. Müsste hier der Aufschrei nicht noch einmal viel größer sein angesichts der potenziellen Gefahren? 

Ich mache da einen Unterschied, zwischen der Interessengruppe, die für ihre sexuelle Selbstbestimmung kämpft, und jenen, die einer Identitätspolitik nacheifern. Es gibt eine traditionell schwule Community, die ich in den letzten Jahren als klartextsprechend erlebt habe. Die wirklich in der Lage ist, Sachen deutlich zu benennen und sich auch traut, über Gefahren zu reden, die von migrantischer Seite kommen. Innerhalb der ganzen Community wird indes massiv darüber gestritten. Der progressive, sehr nah an der Identitätspolitik ausgerichtete Teil der Community hat sich dagegen entschieden, auf der falschen Seite der Geschichte zu stehen. Ich muss das in aller Deutlichkeit so sagen. Die israelische queere Community auszuschließen auf internationaler Ebene ist eine Schande. Bei allem, was ich als palästinensischer Israeli, als jemand, der 28 Jahre dort gelebt hat, weiß, ist, dass arabische Israeli wie palästinensische queere und homosexuelle Menschen fast ausschließlich Schutz in jüdischen Orten wie Tel Aviv oder Haifa finden. Das sind Orte, in denen sie ihre sexuelle Selbstbestimmung ausleben dürfen im Vergleich zu Regionen wie dem Gazastreifen. Dass ein Teil der Community der Meinung ist, dass sie neben sexueller Selbstentfaltung auch linksradikale Ideologien teilen müsse wie „Queers for Palestine“ und dabei Israel pauschal als böse darstellt, während Muslime allesamt in ihrem Weltbild Kuscheltiere sind, die man vor jeder Kritik schützen muss, das ist eine Schande. Ich verstehe diese Leute nicht, die gegen ihre eigenen Interessen handeln. Das ist fast wie Selbstmord. Wenn man als schwuler oder queerer Mensch in München, Köln oder Berlin lebt, dann gibt es natürlich auch rechtsradikale Gefahren. Daneben gibt es aber massive Gefahren, die aus einer patriarchalischen, islamistischen und muslimischen Szene kommen und die die sexuelle Selbstbestimmung komplett ablehnt, abwertet und auch nicht davor zurückschreckt, im Extremfall Gewalt anzuwenden.

Glauben Sie, dass man Menschen wie jene von „Queers for Palestine“ noch irgendwie argumentativ erreichen kann?

Als jemand, der Präventions- und Sensibilisierungsarbeit macht, möchte ich jeden erreichen. Ich kann aber sagen, in diesem Fall ist die Chance sehr gering. Am 07. Oktober wurden Menschen auf einem Musikfestival wahllos hingerichtet, Frauen vergewaltigt und Familien in ihrem Zuhause ermordet und die Kinder nach Gaza verschleppt, wobei sexuelle Gewalt immer wieder im Mittelpunkt dieses Angriffskriegs stand. Wenn man danach nicht seine Einstellung reflektieren und hinterfragen kann, gerade dann auch, wenn man selbst niemals in Gaza war und auch nicht erlebt hat, wie man dort mit Schwulen oder Frauen ohne Kopftuch umgeht, dann muss man von einer religiösen Verblendung sprechen. Da ist zumeist nichts mehr zu erreichen.

Müssen die „vernünftigen“ Homosexuellen lauter werden gegen diese extremistischen Strömungen innerhalb der eigenen Community?

Ja! Wenn man Diskurse besetzen möchte, wenn man etwas bewegen möchte, dann muss man lauter werden und Haltung zeigen. Die Anderen leben davon, dass die Mehrheit aus Angst schweigt. 

In diesem Jahr haben wir mehrfach erlebt, dass der Queer-Beauftragte von Berlin, Alfonso Pantisano, versucht hat, Probleme kleinzureden. Einmal erklärte er, Homosexualität sei nicht nur im Islam eine Sünde, sondern „mindestens genauso“ in der katholischen Kirche. Dann warf er dem früheren SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert Rassismus vor, weil dieser als schwuler Mann über Gewalt von jungen Männern mit islamischen Glauben gesprochen hatte. Ähnliches Spiel bei der Warnung der Berliner Polizeipräsidentin. Ihre Einschätzung? 

Wir sehen eine Partnerschaft von Linksradikalen und Islamisten auf offener Straße und an unseren Universitäten. Die SPD genauso wie die Grünen wären gut beraten, sich für eine Politik zu entscheiden, die auf Distanz zu diesen radikalen Ideologien geht. Das sehe ich aber leider gar nicht. Ich sehe in beiden Parteien fast niemanden, der in der Lage ist, das, was sie hofieren, auch einmal kritisch zu hinterfragen. Das passiert nicht. Wir haben eine Politik, die eigentlich alles miteinander vereinen will, doch das geht nicht. Der angesprochene Herr muss sich entscheiden, ob er ein Queer-Beauftragter sein möchte oder ob er ein Beauftragter für Identitätspolitik und Whataboutism sein will. Genau solche Aussagen wie seine zeigen dabei, dass es offenbar gar kein Interesse an einem demokratischen Diskurs über jene Realität gibt, die Kevin Kühnert aber auch viele andere Menschen in ganz Deutschland immer wieder erleben. Wenn man nicht mehr in der Lage ist, über die Realität zu sprechen, ohne vom Gesprächspartner als rassistisch abgestempelt zu werden, dann haben wir es mit jemandem zu tun, der eine radikale Politik betreiben will und dabei die Interessen der queeren Community nicht vertritt. Das ist sehr schade. Da entsteht eine Sprachlosigkeit – und diese Sprachlosigkeit erleben wir überall in diesem Land, wenn es um Migration, den Islam oder Angriffe auf Schwule oder Frauen geht, wenn es um Sicherheitsbedenken und Messerattacken geht. Das ist keine Demokratie, das ist kein Austausch, das ist keine Debattenkultur, sondern vielmehr eine Ideologie, die ihre Einstellungen der Mehrheitsgesellschaft aufzwingen möchte. 

Bereits vor vier Jahren warnten mehrere hundert Pädagogen in Berlin vor dem politischen Islam an Schulen. Vor kurzem nun feierte die Unabhängige Beauftragte für Antidiskriminierung, Ferda Ataman, dass künftig Lehrkräfte in Berlin Kopftuch während dem Unterricht tragen dürfen. Wie sehen Sie diese Entwicklung?

Ich war bereits damals gegen die Ernennung von Ferda Ataman und habe das argumentativ auch untermauert. Ataman ist eine Verteidigerin der Identitätspolitik und wurde bekannt durch die Verharmlosung von islamistischen Strukturen. Wer wirklich Antidiskriminierung unterstützen möchte, kann nicht auf Identitätspolitik setzen. Die „alten weißen Männer“ sind ebenso wenig pauschal rassistisch wie andere Gruppen – das zu behaupten, ist Rassismus in einer anderen Art. Was ich in den Schulen vor Ort merke, ist, dass diese Lobbyarbeit zu einer massiven Verunsicherung der Lehrkräfte geführt hat. Bis 2017 habe ich Lehrer als diejenigen erlebt, die immer auf Probleme hingewiesen und nach Lösungen gesucht haben. Die Lehrkräfte waren immer bemüht, junge Menschen zu erreichen. Dann begann es, dass Vereine finanziert wurden, die in Schulen gehen und bei jeder Erwähnung von Problemen den Lehrern Rassismus vorwarfen. Seitdem herrscht eine massive Verunsicherung, die Probleme werden gar nicht mehr angesprochen, kritische Stimmen gar nicht mehr eingeladen. Ich bin gegen das Kopftuch, obwohl alle Frauen in meiner Familie in Israel ein Kopftuch tragen. Ich diskriminiere keine Frau, die ein Kopftuch trägt, aber man sollte trotzdem über das Kopftuch als Zeichen der Unterdrückung der Frau und Symbol des politischen Islams sprechen. Während in Deutschland einige stolz darauf sind, dass Frauen mit Kopftuch jetzt in unseren Schulen arbeiten, sind die Frauen in Saudi-Arabien stolz darauf, inzwischen auf der Straße oder im Auto kein Kopftuch mehr tragen zu müssen. In Deutschland sollten wir bedenken: Schulen, Polizei und Justiz sind Orte, in denen Menschen den Staat repräsentieren. In einer multikulturellen Gesellschaft ist Neutralität dabei enorm wichtig, das Kopftuch verletzt diese Neutralität . 

In diesem Jahr hat die AfD sowohl bei Landtagswahlen wie auch in Umfragen immer wieder Höchstwerte mit der Thematisierung der Migrationsproblematik eingefahren – auch unter Homosexuellen, wie mehrere Befragungen 2024 zumindest nahelegten. Wie erklären sie sich das? 

Keiner hat dieser Partei einen größeren Bärendienst erwiesen wie die Linken. Durch ihre Sprachlosigkeit und durch eine Politik, die keiner versteht, haben sie die AfD erst groß gemacht. Es muss klar gesagt werden: Die AfD ist nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems. Das ist eine Partei, die sich nicht in einem demokratischen Spektrum aufhält, auch nicht, wenn sie demokratisch gewählt wurde. Wenn immer wieder über Offensichtliches geschwiegen wird, obwohl jeder sieht, dass es sich dabei um zentrale Probleme handelt, dann radikalisiert sich die Sachlage immer mehr. Erst wenn wir anfangen, die Probleme ernst zu nehmen und versuchen, Lösungen zu finden, kann sich hier etwas verbessern. 

Einige Studien haben zuletzt mehrfach aufgezeigt, dass ein Teil der Muslime in Deutschland noch immer ein Problem mit Homosexuellen hat. 65 Prozent finden es beispielsweise „ekelhaft“, wenn Schwule sich küssen (Report Mainz), 30 Prozent der geflüchteten Migranten in Deutschland lehnen die Gleichstellung von Homosexuellen direkt ab (Ruhr-Universität Bochum). Was können wir hier tun?

Man kann diese Menschen erreichen, auch wenn es mitunter schwer ist, weil es gegen die eigene Sozialisation geht. Aber es ist machbar. Und wir sollten es machen! Wir müssen klarer herausarbeiten, was diese Menschen in Deutschland suchen – das ist meistens Freiheit, Sicherheit, Wohlstand. Dabei müssen wir aufzeigen, dass sexuelle Selbstbestimmung zu den Grundwerten dieser Gesellschaft gehört. Wenn man in Freiheit leben will, muss man auch die Freiheit der Anderen akzeptieren. Außerdem müssen wir selbstbewusster auftreten und klar machen, welche Grundwerte wir in unserer Gesellschaft haben. Wer es eklig findet, wenn sich zwei Männer oder zwei Frauen auf der Straße küssen, ist hier falsch! Die schwule Community sollte sich nicht verstecken müssen. Wer in dieser Gesellschaft leben möchte, muss mit Homosexuellen klarkommen – und noch mehr. Er muss damit rechnen, dass sein Sohn oder seine Tochter auch eine gleichgeschlechtliche Sexualität hat. Wer seine althergebrachten Werte weiterhin in dieser Gesellschaft leben will und deswegen andere Menschen beschimpft, verängstigt oder auf offener Straße angreift, der muss mit Konsequenzen rechnen müssen. Im Extremfall muss diese Gesellschaft dann auch dieser Person den Weg raus aus der Gesellschaft zeigen. Wenn die Gesellschaft in Deutschland anfängt, diese Einstellung selbstbewusst und laut zu kommunizieren, ist die Hälfte des Problems bereits gelöst. Die andere Hälfte kann gelöst werden, wenn man diese Menschen wirklich begleitet und ihnen hilft zu verstehen, dass es eine große Chance und Errungenschaft ist, sexuelle Selbstbestimmung in der eigenen Familie zu leben. Das sind Prozesse, die mitunter länger brauchen, aber sie sind möglich. Viele Muslime sind dabei längt in Deutschland angekommen und haben auch kein Problem mit Homosexuellen.

Was dürfen und müssen wir in Deutschland von Migranten erwarten – und was sollten wir ihnen im Gegenzug anbieten?

Integration ist in erster Linie eine Bringschuld der Zugewanderten. Dazu brauchen sie Neugier und die Bereitschaft, sich auf ein neues Wertesystem einzulassen. Integration heißt nicht, hierherzukommen und jene Werte einfach weiterzuleben, die im Widerspruch zu unserem Grundgesetz stehen. Damit jene interessierten Menschen dann wirklich emotional ankommen, müssen sie begleitet werden, das bedeutet persönliche Begegnungen mit einer Gesellschaft, die klar ausspricht, was für Erwartungen sie hat, und diesen Menschen emotionale Zugänge ermöglicht.

Wir erleben in Europa wie aber auch in den USA, dass sich junge Muslime online radikalisieren und Anschläge planen – auch auf Pride-Demonstrationen. Wie gefährlich schätzen Sie diese Entwicklung ein?

Ich rede hier von Islamismus 2.0. Der 07. Oktober hat hier als eine Art von Brandbeschleuniger gewirkt und diese Radikalisierung vorangetrieben. Ich mache mir sehr große Sorgen um die Sicherheit in Deutschland. Diese Gefahr wird uns langfristig begleiten. Diese Akteure in den Sozialen Medien arbeiten mit emotionalisierter Wut und sind mittlerweile in der Lage, sehr viele Leute zu erreichen. Online kommen Netzwerke zusammen und Kampagnen können sehr einfach gestartet werden – von Islamisten ebenso wie von Rechtsradikalen, Linksextremisten oder auch von Russland. Nur die Demokraten sind nicht da. Sie finden ihren Weg dahin nicht, sie führen keine Kampagnen. Wenn ich mich als junger Mensch heute beispielsweise über das Thema Naher Osten informieren möchte, lande ich sofort bei der Hamas oder linksradikalen Antisemiten und nicht bei sachlichen, faktenbasierten Anbietern. Wenn wir jetzt hier nicht endlich massiv handeln, digitale Sozialarbeit gegen Narrative starten, dann dürfen wir uns nicht wundern, wenn bei den nächsten Wahlen Rechtsradikale enorme Zugewinne bei den jungen Wählern erzielen. Wir haben die Debattenkultur in den Sozialen Medien komplett verloren. Hier muss eine Strategie her – doch den meisten Politikern ist nicht einmal bewusst, dass wir so etwas brauchen.

In einer islamistischen Propaganda-Zeitung wurde unlängst dazu aufgerufen, explizit Angriffe auf Schwule und Lesben in Deutschland zu starten. Wie sollten wir damit umgehen?

Die Gefahren sind da, aber man sollte seine Art zu leben, nicht verändern. Wir müssen unser Leben weiterleben – das ist genau das, was Terroristen nicht wollen. Gleichzeitig dürfen wir erwarten, dass die Politik das Problem endlich bei den Wurzeln anpackt und nicht wartet, bis jemand mit einem Messer auf der Straße unterwegs ist. 

In der linken queeren Community gibt es immer wieder Stimmen, die sagen, man müsse dem Islam nur mehr Zeit geben, in Europa anzukommen – auch das Christentum änderte sich erst durch die Aufklärung und die Säkularisierung. Haben wir so lange Zeit, zu warten?

Man kann darüber diskutieren, ob man Ländern wie Saudi-Arabien oder dem Iran mehr Zeit geben will, aber wir reden von Muslimen, die in dieser Gesellschaft leben. Die Zeit zu warten haben wir hier nicht. Möglichkeiten der Veränderung im Islam gibt es immer nur dann, wenn man die kritischen Stimmen nicht unterdrückt und wenn man nicht mit den Falschen zusammenarbeitet – das passiert derzeit aber vor allem bei der SPD und den Grünen. Zeit geben, gerne, aber je mehr man mit den Falschen kooperiert, desto länger wird die Zeit, bis sich was verbessert. 

Sie arbeiten immer wieder auch mit radikalisierten Jugendlichen in Gefängnissen, Schulen oder Asylheimen. Mit welchen Denkanstößen versuchen Sie hier, gerade junge Muslime zu erreichen?

Wir arbeiten hier mit positiven Vorbildern aus der eigenen Community und versuchen außerdem, die Sehnsüchte dieser jungen Menschen zu aktivieren, Stichwort Selbstbestimmung oder Freiheit. Zudem stellen wir Erziehungsmethoden und Gewalt in den Familien infrage. Bei bereits stark radikalisierten Jugendlichen schauen wir zuerst einmal, was sie in diese Richtung getrieben hat, um darüber zu reflektieren und ihnen so einen neuen Weg aufzuzeigen. Damit das funktioniert, müssen wir diese jungen Menschen ernst nehmen und ihnen das Gefühl vermitteln, dass wir ihnen wirklich zuhören. 

Herr Mansour, vielen Dank für das Gespräch. 

 

ZUR PERSON: 

Ahmad Mansour (48) ist ein israelisch-deutscher Psychologe und Bestsellerautor. Er lebt seit 2004 in Deutschland und ist einer der führenden internationalen Islamismus-Experten. Für seine Arbeit wurde er mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Seit 2017 engagiert er sich verstärkt mit dem Mansour-Institut für Demokratieförderung und Extremismusprävention und gibt Workshops in Gefängnissen, Schulen und Asylheimen sowie Schulungen für Lehrer, Polizisten oder auch Pädagogen. Aufgrund seines Engagements gegen Islamismus lebt er unter ständigem Polizeischutz. Zusammen mit seiner deutschen Ehefrau Beatrice führt er eine binationale und bikulturelle Ehe in Berlin. Mehr unter: ahmad-mansour.de 
 

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