Mister Fetish Bayern Eine besondere Wahl mit großen Zielen
Bayern hat gewählt! Erstmals gibt es im Freistaat den "Bavarian Mister Fetish". Was genau dahintersteckt und welche Ziele damit anvisiert werden, hat Titelträger Andy SCHWULISSSIMO im Interview verraten.
Andy, magst Du uns zu Beginn ein wenig von dir erzählen?
Mit einem Diplom in Chemie, einer Ausbildung zum Veranstaltungstechniker und einem Quereinstieg als IT-Administrator habe ich beruflich einige spannende Wege in meinen vierzig Lebensjahren eingeschlagen. Ich engagiere mich seit langem ehrenamtlich im Münchner Löwen Club, in dem ich auch meinen Partner kennengelernt habe. Seit zehn Jahren leben wir in München zusammen, seit 2022 sind wir verlobt.
Der neue "Bavarian Mister Fetish" ist aus dem bisherigen Titel des "Bavarian Mister Leather" hervorgegangen. Wie kam es dazu?
Die Leder-Community hat sich über viele Jahre hinweg unermüdlich für Akzeptanz und Sichtbarkeit von Fetisch stark gemacht. In den letzten Jahren hat sich das Spektrum der Community enorm erweitert – neben Leder sind Fetische wie Rubber, Sportswear, Full Gear, Uniform, Workwear, ABDL oder Pet Play immer stärker vertreten. Viele MLC-Mitglieder haben mehr als einen Fetisch, wodurch sich spannende Kombinationen und neue Ausdrucksformen ergeben. Die Entscheidung des Vorstands, den Titel zu öffnen, war daher ein konsequenter Schritt, der die Realität der heutigen Szene widerspiegelt. Ich hoffe, den hohen Erwartungen gerecht zu werden und Brücken zu bauen.
Wo setzt Du deine Schwerpunkte?
Gerade in der aktuellen Zeit, in der uns ein äußerst rückschrittlicher Wind entgegenweht, ist es wichtiger denn je, sichtbar und präsent zu sein. Es reicht nicht, nur für die eigenen Interessen einzustehen – es geht darum, die gesamte Community zu stärken und ihr Rückhalt zu geben. Ein besonderes Anliegen ist es mir, den Blick auch auf kleinere CSDs in Bayern zu richten. Als jemand, der aus Kaufbeuren stammt, weiß ich aus eigener Erfahrung, wie entscheidend es sein kann, Menschen mit ähnlichen Interessen und Fetischen zu treffen. Dieses Gefühl der Zugehörigkeit kann einen großen Unterschied machen – es zeigt, dass man kein Kuriosum ist, sondern Teil einer vielfältigen und lebendigen Gemeinschaft.
Auf Fetisch-Festivals erlebt man immer wieder, dass es auch zu Abgrenzung innerhalb der Szene kommt. Wie stehst Du dazu?
Ich würde mir wünschen, dass wir als Community hin und wieder innehalten und genauer hinhören. Wenn jemand innerhalb der Szene mit Abgrenzung oder sogar Ablehnung reagiert, lohnt es sich, die Gründe dahinter zu verstehen. Viele haben lange gekämpft, um ihre Identität und ihren Platz in der Fetisch-Welt zu finden. Für sie bedeutet dieser Raum Sicherheit und Ankommen. Wenn sich die Szene dann dynamisch weiterentwickelt, kann das auch Überforderung auslösen – oder sogar die Sorge, dass das, wofür man selbst gekämpft hat, plötzlich infrage gestellt wird. Deshalb sollten wir noch achtsamer miteinander umgehen. Es geht nicht nur darum, Neues zu feiern, sondern auch darum, unterschiedliche Perspektiven zu respektieren. Euphorie für Vielfalt ist wichtig, aber genauso wichtig ist es, anzuerkennen, dass nicht jeder alles gleichermaßen begeistert annehmen muss. Verständnis füreinander – das ist etwas, woran wir weiter wachsen können.
In den letzten Jahren wurden immer wieder Stimmen laut, die den Fetisch von CSDs verbannen wollen, die Kritik: Das sei zu sexuell.
Beim Münchner CSD 2024 haben wir ein starkes und überzeugendes Zeichen gesetzt: Fetisch gehört selbstverständlich zur Community und zur Gesamtgesellschaft und ist weit mehr ist als bloße Provokation – es ist Identität, Kultur und gelebte Vielfalt. Wer dennoch meint, Fetisch habe auf dem CSD keinen Platz, den möchte ich an die historischen Wurzeln erinnern. Die Stonewall-Aufstände von 1969 wurden von vielfältigen, oft marginalisierten Gruppen getragen. Ein Ausschluss von Fetisch auf dem CSD steht im Widerspruch zu dem, wofür die Bewegung einst angetreten ist: das Recht, sichtbar zu sein – ohne Kompromisse.
Was ist dir speziell mit Blick auf Bayern und Fetisch zudem wichtig?
Bayern wird oft als besonders konservativ wahrgenommen, und ich denke, dass diese Annahme tatsächlich eine zusätzliche Hürde darstellt – gerade im ländlichen Raum, wo es oft schwieriger ist, „Farbe zu bekennen“. Sich zu outen ist schon eine große Überwindung, und Fetisch dazu auszuleben, fühlt sich für viele wie ein zweites Coming-out an. Auf der anderen Seite gibt es Vereine wie die Schwuhplattler, die erfolgreich Homosexualität und Tradition miteinander verbinden und ein großartiges Beispiel dafür sind, wie man alte Werte auf humorvolle und inklusive Weise modernisieren kann.
Für Menschen, die bisher wenig mit Fetisch anfangen können, was möchtest Du diesen Menschen abschließend sagen?
Denkt mal drüber nach, ob es etwas gibt, bei dem ihr euch sofort wohl und geborgen fühlt – ein Duft, ein Lieblingskleidungsstück, ein Kuscheltier oder eine Melodie. Wenn ihr jetzt schmunzelt, dann habt ihr möglicherweise doch eine Ahnung davon, wie Fetisch sein kann. Und wenn euch das Ganze so gar nicht abholt – das ist auch völlig okay. Das Wichtigste ist: Glücklich sein und glücklich sein lassen.
Andy, vielen Dank für das Gespräch.