Kritik an türkischer Willkür Forderung nach sofortiger Freilassung eines LGBTIQ+-Aktivisten
Anfang August wurde der türkische Jugenddelegierte des Europarats Enes Hocaoğulları (23) am Flughafen in Ankara verhaftet, weil er sich zuvor in einer Rede bei der Generalversammlung des Kongresses kritisch zur Polizeigewalt und zur Politik in seiner Heimat geäußert hatte. Die Kritik am Vorgehen der Türkei wächst.
Kritik an Polizeigewalt
Der 23-Jährige sitzt seitdem in Untersuchungshaft, ihm wird „Aufstachelung zum Hass“ sowie „Verbreitung von Falschnachrichten“ vorgeworfen. Hocaoğulları hatte in seiner Ansprache über die Proteste von jungen Menschen in der Türkei berichtet, die regelmäßig brutal durch die Polizei aufgelöst werden – ein Paradebeispiel sind die CSDs in Istanbul. „Ich war vom ersten Tag an dabei, als die Polizeikräfte unverhältnismäßige Gewalt mit Tränengas, Gummigeschossen und Wasserwerfern einsetzten. Ich habe gesehen, wie Gleichaltrige verhaftet und einer Leibesvisitation unterzogen wurden“, so der LGBTIQ+-Aktivist.
In einer ersten Reaktion forderte der Präsident des Europarat-Kongresses Marc Cools die „sofortige Freilassung“ des jungen Türken und sprach von einem „skandalösen und inakzeptablen“ Verhalten der Behörden. Die Türkei missachte damit das „Recht auf freie Meinungsäußerung, einen der Eckpfeiler der Demokratie in Europa.“
Einhaltung demokratischer Standards
Nun meldete sich auch der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses (EWSA), Oliver Röpke, zu Wort – auch er besteht auf einer unverzüglichen Freilassung von Hocaoğulları. „Als Mitglied des Europarates und EU-Beitrittskandidat wird von der Türkei erwartet, dass sie die höchsten demokratischen Standards einhält, einschließlich des Schutzes der Grundfreiheiten und der Rechtsstaatlichkeit. Ich bin zutiefst besorgt über die Festnahme und anhaltende Inhaftierung von Enes Hocaoğulları (…) Die Türkei verfügt über eine lebendige und aktive Zivilgesellschaft. Die anhaltende Aushöhlung demokratischer Grundsätze – insbesondere Einschränkungen der Meinungsfreiheit – stellt jedoch eine ernsthafte Bedrohung für die Entwicklung des Landes dar. Sie untergräbt auch die Fähigkeit von Menschenrechtsaktivisten und der Zivilgesellschaft, als wichtige Kontrollinstanzen zu fungieren und die Regierung zur Rechenschaft zu ziehen.“
Präsident Recep Erdoğan rief bereits Anfang 2025 das „Jahr der Familie“ aus, welches er seitdem als Legitimation ausnutzt, um die LGBTIQ+-Community immer wieder massiv anzugreifen – die Attacken wurden zuletzt immer perfider, während parallel dazu die Polizeigewalt weiter zunimmt und die Regierung derzeit an einem neuen Anti-LGBTIQ+-Gesetz arbeitet, das für Homosexuelle Haftstrafen von bis zu 16 Jahren vorsieht.