Frust in den Niederlanden Das Gesetzesvorhaben zum Ende der umgangssprachlichen „Homo-Heilungen“ droht zu scheitern
Seit Jahren wird in den Niederlanden um ein Verbot der menschenverachtenden Konversionstherapien gerungen und debattiert – heute Abend nun wird das Parlament erstmals über einen Gesetzentwurf abstimmen. Eine Mehrheit dürfte das Vorhaben aber voraussichtlich nicht bekommen. Bereits im Vorfeld zeigt sich die queere Community wütend und ermüdet ob der jahrelangen Kämpfe.
Mehrheit gegen Verbotsgesetz
Fünf kleinere Parteien haben das Gesetzesvorhaben ins Parlament gebracht und wollen die umgangssprachlichen „Homo-Heilungen“ verbieten – nach wie vor gibt es im Land mehrere Anbieter solcher „Therapien“, oftmals stecken christliche Verbände und Einrichtungen dahinter. Die Mehrheit der Parteien hat inzwischen trotzdem bereits vorab erklärt, dem Verbotsantrag nicht zustimmen zu wollen.
Politiker von religiösen und konservativen Parteien bezweifeln nach wie vor die schädliche Wirkung der Konversionstherapien, wenngleich die Vereinten Nationen die Behandlungen eindeutig bereits vor geraumer Zeit als Folter deklariert haben.
Andere Parteien wie der NSC oder der CDA betonten, man wolle lieber „auf andere Weise“ gegen die Praxis vorgehen, konkret steht die Idee einer Kriminalisierung von psychologischer Gewalt im Raum. Zuletzt erklärte die größte Regierungspartei PVV dann noch, den Antrag ohne Nennung weiterer Gründe nicht unterstützen zu wollen – bleibt es dabei, kann eine Mehrheit nicht zustande kommen.
Diverse Streitpunkte
Ein Streitpunkt ist dabei generell die Frage der freien Entscheidungsmöglichkeit. Der NSC erklärte so weiter, man wolle nur gegen jene Therapien vorgehen, die unfreiwillig erfolgen: „Wir wollen, dass strafrechtliche Maßnahmen ergriffen werden, die sich auf den psychologischen Schaden stützen, den Konversionshandlungen verursachen können.“
Ein zweite Problematik liegt im Detail: Sollen mit einem möglichen Verbot nur Behandlungen von Schwulen und Lesben untersagt werden oder auch beispielsweise von queeren, nicht-binären oder trans* Menschen? Genau über diese Frage wird bis heute heftig auch in Großbritannien gestritten. Laut der NSV befürchten viele Parlamentarier in den Niederlanden, dass die derzeit vorgelegten Gesetzentwürfe nicht konkret genug ausformuliert sind, sodass künftig Ärzte oder Psychologen in ihrer Arbeit eingeschränkt werden könnten, wenn sie Jugendliche mit einer „vorübergehenden Geschlechtsdysphorie“ betreuen und dabei auch die Eigen-Diagnose der Betroffenen hinterfragen und abklären sollen.
Frust bei queeren Verbänden
Die queere Lobbyorganisation COC zeigte sich im Vorfeld der heutigen Abstimmung frustriert – einmal mehr dürfte das Verbotsvorhaben scheitern. Seit über einem Jahrzehnt setzt sich die COC für das Ende der Konversionstherapien in den Niederlanden ein und betonte auch heute erneut, dass die Behandlungen nicht nur aus medizinischer Sicht unethisch und nicht evidenzbasiert sind, sondern auch zu schweren psychischen Schäden, Depressionen und Suizid bei den Betroffenen führt.
Laut einer Studie des niederländischen Gesundheitsministeriums von 2022 haben rund ein Drittel aller LGBTIQ+-Menschen im Land bereits eine Konversionstherapie durchleben müssen. Die Opfer berichteten dabei von Elektroschocks, Eisbädern und stundenlangen, erzwungenen Gebeten. Aktuell stehen die Niederlande so vor der absurden Situation, dass im Grundsatz rund vier von fünf Bürgern sowie auch eine Mehrheit der Parlamentarier laut einer Umfrage von 2024 für ein Verbot von Konversionstherapien sind, dies aber an der Klärung von Detailfragen erneut scheitern dürfte.