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Israel: Verbot von Konversionstherapien - Next: die Niederlande?
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Ende der Konversionstherapien Israel: Verbot von Konversionstherapien - Next: die Niederlande?

ms - 15.02.2022 - 12:30 Uhr

Passend zum Tag der Liebe, zum Valentinstag, hat Israel gestern bekanntgegeben, ab sofort Konversionstherapien zu verbieten. Dabei stellte Gesundheitsminister Nitzan Horowitz auf Twitter klar: „Die sexuelle Orientierung ist kein behandlungsbedürftiges Problem. Und Konversionstherapien sind keine Therapien! Es ist ein gefährlicher Missbrauch, der Schaden anrichtet und psychisch bis zum Suizid führen kann. Die schrecklichen Zeugenaussagen, die wir gehört haben, sind herzzerreißend. Es ist eine Gedankenkontrolle und diese findet heute in Israel ihr Ende!“

Israel hat inzwischen eine Führungsrolle in puncto LGBTI*-Gleichberechtigung im Nahen Osten eingenommen. Bereits 2001 führte Israel als erstes Land in Asien ein Anti-Diskriminierungsgesetz ein. Eine eingetragene Partnerschaft ist ebenso möglich wie die Adoption durch gleichgeschlechtliche Paare. Hochburg für queere Menschen ist die Stadt Tel Aviv, während in den ländlichen Teilen des Landes LGBTI*-Menschen noch deutlich stärker von Anfeindungen, Verfolgungen und Gewalt betroffen sind – gerade viele arabische Israelis lehnen dort Homosexualität ab. Sie machen rund zwanzig Prozent der gesamten Bevölkerung aus. In den Palästinensischen Autonomiegebieten ist Homosexualität nach dem britischen Mandatsrecht strafbar.

© Igor Vershinsky
© Igor Vershinsky

Umso bedeutungsvoller sind da die Worte von Gesundheitsminister Horowitz, der gestern zudem weiter klarstellte: „Lesben, Schwule, Transpersonen und Heterosexuelle – wir sind alle Menschen und wir sind alle toll und schön, genauso, wie wir sind. Niemand darf euch etwas anderes erzählen!“

Nachdem Frankreich bereits im Januar ein Verbot von Konversionstherapien durchgesetzt hatte, blickt die queere Community nun angefeuert von Israel auf die Niederlande und Großbritannien. Im Nachbarland den Niederlanden wird seit geraumer Zeit über ein solches Verbot diskutiert, anfangs forderten die Parlamentarier noch mehr Zahlen und Fakten, wie schädlich eine solche „Therapie“ tatsächlich sei. Inzwischen ist eine deutliche Mehrheit der Parteimitglieder mehrerer Fraktionen für ein Verbot – der aktuelle Gesetzentwurf sieht Geldstrafen von 22.500 Euro und bis zu einem Jahr Haft vor für Menschen, die weiterhin Konversionstherapien anbieten. Aktuell gibt es in den Niederlanden fünfzehn zumeist religiöse Anbieter von solchen „Therapien“. Sehr gerne finden solche „Homo-Heilungen“ auch in christlichen Ferienlagern statt. Eine Umfrage des niederländischen Gesundheitsministeriums ergab, dass rund ein Drittel aller LGBTI*-Menschen im Land bereits eine Konversionstherapie erlebt haben (Reuters). Dabei stellte die Studie weiter klar: „Das ist höchstwahrscheinlich nur die Spitze des Eisbergs!“ Und die niederländische Abgeordnete Jeanet van der Laan ergänzte: "Mittelalterliche Praktiken wie die Konversionstherapie gehören nicht in die Niederlande. Homosexualität ist nicht falsch und sicherlich nichts, wovon man geheilt werden sollte."

Queere Menschen blicken weiter auch nach Großbritannien, wo seit 2018 heftig darüber gestritten wird – zu einem finalen Ergebnis ist die Regierung noch nicht gekommen, allerdings wird der Druck seit Anfang des Jahres immer stärker. Ähnlich strauchelnd zeigen sich Länder wie Österreich und die Schweiz – ein generelles Verbot gibt es hier noch nicht. Im Jahr 1999 war Brasilien das erste Land, das Konversionstherapien unter Strafe stellte. In den folgenden Jahrzehnten folgten viele Länder diesem Beispiel, darunter Taiwan, Indien, Malta, Argentinien, Chile, Ecuador, Uruguay und Kanada. Auch in neun Bundesstaaten in Amerika sind die „Homo-Heilungen“ verboten – ebenso wie für Minderjährige seit 2020 in Deutschland. Die Europäische Union befürwortete bereits 2018 mehrheitlich und parteiübergreifend, Konversionstherapien gesetzlich zu verbieten. Auch ein hochrangiger Experte der Vereinten Nationen forderte 2020 gegenüber Reuters ein weltweites Verbot der Konversionstherapie, die von Beratung und "Wegbeten des Schwulseins" bis hin zu Elektroschocks und sexueller Gewalt reichen kann, und bezeichnete sie als grausam, unmenschlich und erniedrigend.

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