EU-Gleichstellungsstrategie Scharfe Kritik von queerem Verband an neuen EU-Plänen
Die EU-Kommission hat heute ihre neue Gleichstellungsstrategie für 2026 bis 2030 vorgestellt. Ziel sei es dabei, LGBTIQ+-Menschen stärker vor Gewalt zu schützen, Diskriminierung abzubauen und gleiche Rechte für queere Personen in allen Lebensbereichen zu stärken. Zudem soll gegen Hass und Hetze im Internet vorgegangen werden. Kritik an den Aussagen kommt bereits von der internationalen queeren Organisation Forbidden Colours.
Rückschritte in der EU
Im Juni dieses Jahres wurde erstmals massive Kritik laut, dass die EU-Kommission mit ihrer ersten Gleichstellungsstrategie seit 2020 mit Blick auf die Negativ-Entwicklungen in Europa sowie auch weltweit in puncto LGBTIQ+ „kläglich versagt“ habe. Die Grundproblematik dieser Geschehnisse der letzten Jahre betonte dabei heute auch die EU-Gleichstellungskommissarin Hadja Lahbib: „Errungenschaften werden infrage gestellt, was wir als akzeptiert glaubten, macht besorgniserregende Rückschritte. Europa muss dieser Leuchtturm, dieser Pionier bleiben.“
Die Ideen für eine Kehrtwende bei steigenden Angriffen auf die Community klingen durchaus spannend: Ein EU-Aktionsplan soll gegen Cybermobbing helfen, dazu soll es neue Richtlinien für inklusive Einstellungsverfahren im Beruf geben und ein neues Wissenszentrum soll Informationen über Hass-Postings online sammeln. Für die queere Organisation Forbidden Colours ist trotzdem klar, dass die neue LGBTIQ+-Gleichstellungsstrategie der „heutigen Realität nicht gerecht“ werde.
Viele Worte, wenig Konkretes
Dazu kommt eine offenbar vollkommen andere Grundannahme: Laut Einschätzung der EU habe die gesellschaftliche Akzeptanz von LGBTIQ+ in den vergangenen fünf Jahren zugenommen – mehrere Studien der letzten Jahre kommen indes zu einem völlig anderen Schluss. So sank beispielsweise laut dem Vielfaltsbarometer der Robert Bosch Stiftung die Akzeptanz von Homosexuellen in Deutschland zuletzt um acht Prozent. „Während sich die Situation für LGBTIQ+-Personen und -Gemeinschaften in der gesamten EU verschlechtert, bietet die neue Strategie eine schwache Koordinierung anstelle von Durchsetzung, vage Absichten anstelle klarer Verpflichtungen und keinen konkreten EU-Plan zur Bekämpfung von Anti-Rechte-Akteuren aus den eigenen Reihen“, so Forbidden Colours Direktor Rémy Bonny. Die vorgeschlagene Strategie werde dabei dem Ausmaß der Bedrohungen nicht gerecht.
Wo bleibt der Mut der EU?
Die Forderungen sind daher klar, so Bonny weiter: „Wir fordern die Europäische Kommission erneut auf, den Mut zu finden, gemeinsam mit uns für eine echte Union der Gleichheit zu kämpfen und alle ihr zur Verfügung stehenden Instrumente einzusetzen, um LGBTIQ+-Bürger in der gesamten EU wirklich zu schützen. Das Problem: starke Worte, schwache Instrumente – und keine klare Verpflichtung zum Handeln. Die neue LGBTIQ+-Gleichstellungsstrategie ist zu wenig und kommt zu spät. Europa wird von einer Anti-Gender-Bewegung koordiniert angegriffen, die grundlegend antidemokratisch ist und Putins autoritäre Weltanschauung über Regierungen wie die in Ungarn und der Slowakei direkt in die EU importiert. Ein paar nette Worte werden das nicht aufhalten.“
Wie wenig die freundlichen Worte der EU in der Realität bewirken, zeigten so laut Bonny jüngste Fälle wie beispielsweise Ungarn, wo seit rund sechs Monaten alle Pride-Paraden verboten sind. Dazu komme, dass die EU behäbig ist, nach wie vor befinde sie sich im aktuellen Fall noch immer in der Phase der „Bewertung”, anstatt ein Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten und gerichtliche Maßnahmen zum Schutz der Versammlungsfreiheit zu erwirken.
Vincent Reillon, Senior Advocacy Officer bei Forbidden Colours, fasst die Sachlage so zusammen: „Was wir brauchen, sind echtes Geld, eine echte Strategie und echter Mut. Die Kommission muss aufhören, alte, gescheiterte Initiativen wieder aufzuwärmen, und diese Angriffe endlich nicht nur als Gleichstellungsprobleme, sondern als Bedrohung für unsere Demokratie und Sicherheit behandeln. Sie verfügt bereits über die Instrumente, weigert sich jedoch, sie einzusetzen.“