Kontenlöschungen bei Meta Große Welle der Zensur bei LGBTIQ+ und Frauenrechten?
Meta hat in den letzten Wochen nach Angaben des britischen Guardian offenbar eine Reihe von Konten entfernt oder eingeschränkt, die Abtreibungsanbietern, queeren Gruppen und Organisationen für reproduktive Gesundheit gehören. Die Maßnahmen werden von Aktivisten als eine der größten Wellen der Zensur auf den Plattformen seit Jahren bezeichnet.
Über 200 Kontosperrungen
Die Löschungen begannen im Oktober und trafen Facebook-, Instagram- und WhatsApp-Konten von mehr als 50 Organisationen weltweit, darunter viele, die Tausende von Menschen unterstützen. Meta scheint damit einen zunehmenden Druck auszuüben, Inhalte zu reproduktiver Gesundheit und queeren Themen auf seinen Plattformen zu begrenzen. Besonders betroffen waren Gruppen aus Europa und Großbritannien, aber auch Organisationen, die in Asien, Lateinamerika und dem Nahen Osten tätig sind.
Repro Uncensored, eine NGO, die digitale Zensur von Bewegungen zu Themen wie Geschlecht, Gesundheit und Gerechtigkeit verfolgt, dokumentierte in diesem Jahr bereits 210 Fälle von Kontensperrungen und Einschränkungen, die diese Gruppen betreffen. Zum Vergleich: Im Vorjahr waren es noch 81 Fälle.
Meta wies die Vorwürfe einer eskalierenden Zensur zurück. „Jede Organisation und Person auf unseren Plattformen unterliegt den gleichen Regeln, und alle Behauptungen, die auf eine unterschiedliche Behandlung aufgrund von Gruppenzugehörigkeit oder Interessenvertretung hinweisen, sind unbegründet“, erklärte das Unternehmen und betonte, dass sich die Richtlinien zu Abtreibungsinhalten nicht geändert hätten.
Schattenbanning im großen Stil?
Kritiker werfen Meta jedoch vor, die Gesundheit von Frauen und LGBTIQ+-Rechte global zu unterdrücken. So scheinen die Konten von Organisationen entfernt worden zu sein, die US-Bürgerinnen beim Zugang zu Abtreibungspillen unterstützten. Experten sprechen von einer Form des „Schattenbannings“, bei dem die Sichtbarkeit von Inhalten stark eingeschränkt wird, ohne dass die Nutzer darüber informiert werden. In der jüngsten Säuberungswelle blockierte Meta offenbar unter anderem Abtreibungshotlines in Ländern, in denen Abtreibung legal ist, und entfernte queere und sexpositive Konten in Europa. Sogar Beiträge mit nicht-expliziten Cartoon-Darstellungen von Nacktheit wurden gelöscht.
„Im letzten Jahr, besonders nach der neuen US-Präsidentschaft, haben wir eine deutliche Zunahme der Kontenlöschungen gesehen – nicht nur in den USA, sondern auch weltweit als Welleneffekt“, sagte Martha Dimitratou, Geschäftsführerin von Repro Uncensored. „Dies war meines Wissens eine der größten Wellen der Zensur, die wir je gesehen haben.“
Zu viel Macht des IT-Konzerns
Die betroffenen Aktivisten werfen Meta vor, wenig transparent zu sein und lediglich vage Begründungen für die Löschungen anzubieten. In einer E-Mail lud ein Meta-Berater eine Reihe von Organisationen für reproduktive Gesundheit zu einem geschlossenen Online-Briefing ein, um über „die Herausforderungen im Umgang mit den Inhaltsmoderationsrichtlinien von Meta“ zu sprechen. In der E-Mail wurde jedoch darauf hingewiesen, dass das Treffen keine Gelegenheit bieten würde, Kritik an den Praktiken von Meta zu äußern oder politische Änderungen vorzuschlagen.
Dimitratou sagte, dass solche geschlossenen Treffen „das Machtungleichgewicht verstärken, das es großen Tech-Unternehmen ermöglicht, zu entscheiden, wessen Stimmen verstärkt und wessen zum Schweigen gebracht werden“. In einem weiteren Fall riet ein Meta-Mitarbeiter einer betroffenen Organisation, sich vollständig von der Plattform zu entfernen und eine Mailingliste zu starten, da die Verbote voraussichtlich fortgesetzt würden. Meta bestritt, diese Botschaft versendet zu haben.
Widerspruch bleibt schwierig
Die jüngsten Sperrungen durch Meta sind Teil eines breiteren Musters der Kontenbereinigung. Das Unternehmen zeigte sich in einigen Fällen nach öffentlichem Druck jedoch bereit, die Sperrungen zurückzunehmen, erklärte Carolina Are, Fellow am Centre for Digital Citizens der Northumbria University. „Es wäre weniger problematisch, wenn der Widerspruchsprozess auf diesen Plattformen tatsächlich funktionierte, aber das tut er nicht. Widersprüche sind jedoch die Grundlage jedes demokratischen Rechtssystems“, fügte Are hinzu. Meta erklärte, dass man bestrebe, Fehler bei der Durchsetzung von Richtlinien zu reduzieren, räumte jedoch ein, dass der Widerspruchsprozess für gesperrte Konten zunehmend frustrierend langsam sei.
Radikale Schritte bei Abtreibungsberatung
Unter den betroffenen Organisationen ist auch „Women Help Women“, eine niederländische NGO, die weltweit Informationen zu Abtreibungen anbietet, einschließlich in Brasilien, den Philippinen und Polen. Die Organisation erhält jährlich rund 150.000 E-Mails von Frauen. Ihre Geschäftsführerin, Kinga Jelinska, erklärte, dass es sich um das erste Mal handele, dass das Konto der Organisation vollständig entfernt wurde. „Das Verbot könnte lebensbedrohlich sein“, so Jelinska, da es Frauen in die Hände weniger zuverlässiger Informationsquellen treiben könnte.
Eine genaue Erklärung für das Verbot wurde nicht gegeben. In einer Nachricht vom 13. November teilte Meta mit, dass die Seite von „Women Help Women“ gegen die Community-Richtlinien zu verschreibungspflichtigen Medikamenten verstoßen habe und deshalb gesperrt wurde. Meta erklärte jedoch, dass die Sperrung dieser Seite ein Fehler gewesen sei und sie wiederhergestellt wurde.
Eine weitere betroffene Gruppe ist „Jacarandas“, eine kolumbianische Organisation, die 2022 gegründet wurde, nachdem Abtreibung in Kolumbien entkriminalisiert wurde. Die Organisation berät Frauen und Mädchen, wie sie eine kostenlose, legale Abtreibung bekommen können. Ihre WhatsApp-Hotline wurde seit Oktober mehrfach blockiert und wiederhergestellt. Aktuell ist der WhatsApp-Account gesperrt. Die Geschäftsführerin Viviana Monsalve sagte, dass Meta wenig Informationen darüber gibt, ob die Sperrung fortgesetzt werde. „Wir haben Meta eine E-Mail geschrieben und gesagt, ‚Hey, wir sind eine feministische Organisation. Wir arbeiten im Bereich Abtreibung. Abtreibung ist in Kolumbien bis zur 24. Woche erlaubt. Es ist erlaubt, darüber Informationen zu verbreiten‘“, sagte Monsalve.
Meta erklärte, dass „unsere Richtlinien und Durchsetzungsmaßnahmen zu Abtreibungsinhalten unverändert bleiben: Wir erlauben Beiträge und Anzeigen, die Gesundheitsdienstleistungen wie Abtreibungen fördern, sowie Diskussionen und Debatten dazu, solange sie unseren Richtlinien entsprechen.“
Konten werden „unsichtbar“
Während Gruppen wie „Jacarandas“ und „Women Help Women“ mit vollständigen Sperrungen ihrer Konten konfrontiert wurden, berichteten andere Organisationen von zunehmenden Einschränkungen ihrer Inhalte und von Schattenbannings. Fatma Ibrahim, Direktorin von „The Sex Talk Arabic“, einer in Großbritannien ansässigen Plattform für Inhalte zur sexuellen und reproduktiven Gesundheit in arabischer Sprache, erklärte, dass ihre Organisation regelmäßig Nachrichten von Meta erhielt, in denen es hieß, ihre Seite entspreche nicht den Regeln und werde nicht mehr anderen Nutzern vorgeschlagen, basierend auf Beiträgen zu Sexualität und sexueller Gesundheit.
Vor zwei Wochen verschickte Meta eine Warnung und entfernte einen Beitrag von „The Sex Talk Arabic“. Der Beitrag zeigte ein künstlerisches Bild eines nackten Paares, das von Herzen verdeckt wurde. Ibrahim kritisierte die Warnung als „herablassend“ und erklärte, dass die Moderation von Meta US-zentriert und kontextlos sei: „Trotz der Profite, die sie in unserer Region machen, investieren sie nicht genug, um die sozialen Probleme zu verstehen, gegen die Frauen kämpfen, und warum wir soziale Medienplattformen für solche Kämpfe nutzen.“