Strafe, weil er CSD zuließ? Budapests Bürgermeister: Ermittlungen nach Pride-Parade
Der Bürgermeister von Budapest, Gergely Karácsony, sieht sich mit strafrechtlichen Ermittlungen konfrontiert, weil er die Pride-Parade im Juni 2025 ermöglicht hat. Die ungarische Polizei empfiehlt seine Anklage, nachdem bei der 30. Ausgabe des Prides rund 300.000 Menschen friedlich durch die Hauptstadt zogen. Diese Entwicklungen werfen ein schlechtes Licht auf den wachsenden Druck der Regierung gegenüber der LGBTIQ+-Community, nur wenige Monate vor den richtungsweisenden Nationalwahlen.
Ungarn: Justiz als politisches Werkzeug
Das Verfahren gegen Karácsony folgt auf das Verbot von Versammlungen zum Schutz „traditioneller Werte“. Premierminister Viktor Orban hatte die Parade zuvor öffentlich als „schändlich“ bezeichnet. Obwohl der Marsch aufgrund einer kommunalen Erklärung als städtische Veranstaltung galt, beantragte die Polizei Anklage wegen Organisation und Förderung einer verbotenen Demonstration. Bei Verurteilung droht Karácsony bis zu einem Jahr Haft. Die Anklage trifft nicht nur den Bürgermeister: Bereits wenige Wochen zuvor war Géza Buzás-Hábel, der Organisator des Pécs Pride, ins Visier der Behörden geraten.
Internationale Organisationen wie ILGA-Europe warnen vor einer weiteren Erosion demokratischer Rechte in Ungarn. Angesichts des Behördenvorgehens fordert die Europäische Kommission, Ungarns Einhaltung der EU-Grundrechte strenger zu überwachen.
Verteidigung von Meinungsfreiheit und Sichtbarkeit
„Die Polizei hat die Ermittlungen gegen mich mit der Empfehlung auf Klageerhebung abgeschlossen. Ich halte die Vorwürfe für absurd - die Stadt hat das Recht, ihre Räume für beliebige Veranstaltungen zu öffnen. Ich bin stolz, für die Freiheit Budapests einzustehen.“ — Bürgermeister Gergely Karácsony auf Facebook
Scharfe Kritik kam auch von der European Pride Organisers Association, die das Vorgehen der Polizei als Versuch wertet, das Recht auf Versammlungsfreiheit einzuschränken. Laut Amnesty International wurden ähnliche Fälle innerhalb der EU bislang nur in Russland und der Türkei dokumentiert – ein alarmierendes Novum für ein EU-Land.
EU reagiert: Rechtsstaat versus politische Willkür
Die Europäische Kommission hat ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn eingeleitet, nicht nur wegen der Einschränkungen friedlicher Versammlungen, sondern auch hinsichtlich jüngster Eingriffe in Medienfreiheit und Wirtschaftstätigkeit. EU-Vertretungen mahnen an, dass Versammlungsfreiheit zu den Grundwerten der Union gehört.
Karácsony und andere Befürworter demokratischer Rechte sehen ihr Engagement im Kontext eines breiten Kampfes für menschenrechtliche Standards. Unklar bleibt jedoch, wie weit die Regierung bereit ist, Druck zu machen, um Opposition und Minderheiten mundtot zu machen.
Wohin steuert Ungarn, wenn das Versammlungsrecht zur Strafsache wird? Beobachterinnen und Beobachter dürften die nächsten Schritte der Justiz und ihre Folgen für die gesellschaftliche Vielfalt im Land mit besonderem Interesse verfolgen.