EU-Gleichstellungsstrategie „Die Kommission darf nicht noch einmal versagen!“, fordern jetzt queere Verbände
Die EU-Kommission hatte sich 2020 zum Ziel gesetzt, mit der LGBTIQ+-Gleichstellungsstrategie 2020-2025 Diskriminierung von queeren Menschen zu bekämpfen und Vielfalt in allen EU-Mitgliedsstaaten zu fördern. Mit Blick auf die Entwicklungen in Europa sowie auch weltweit zeigt sich, dass diese Ziele nicht erreicht werden konnten. Die internationale LGBTIQ+-Organisation Forbidden Colours übt jetzt mit weiteren Verbänden scharfe Kritik und betont mit Blick auf eine Fortführung der EU-Maßnahme: „Die Kommission darf nicht noch einmal versagen!“
Neue Strategie mit Beteiligung
Die EU-Kommission selbst hat inzwischen ein neue Strategie vorgeschlagen, Schwerpunkte sollen dabei die Bekämpfung von Hass und Gewalt sowie ein Verbot von Konversionstherapien sein – letzteres ein Anliegen, mit dessen Beschäftigung die Kommission durch eine erfolgreiche Petition mit über einer Million Unterzeichnern seit Mai dieses Jahres gezwungen ist. Aktuell läuft das öffentliche Konsultationsverfahren der EU-Kommission zur Neuauflage der LGBTIQ+-Gleichstellungsstrategie für 2026-2030. Anregungen und Meinungen können dort noch bis zum 24. Juni eingereicht werden.
Die EU-Kommission bewertet dieses Angebot als inklusives und zukunftsorientiertes Unterfangen, die queere, internationale Organisation Forbidden Colours sieht dies völlig anders: „Die Konsultation ist strukturell fehlerhaft, politisch losgelöst und läuft Gefahr, die gleichen kritischen Fehler zu wiederholen, die die Strategie 2020-2025 zum Scheitern gebracht haben. Dies ist nicht der Moment für bürokratische Kontinuität – es ist der Moment für radikalen politischen Mut. Die Kommission kann nicht so tun, als sei das Business as usual, während die Mitgliedstaaten offen die Rechtsstaatlichkeit abbauen und LGBTIQ+-Menschen am helllichten Tag ins Visier nehmen“, so Direktor Rémy Bonny.
Gaslighting der EU
Schon damals 2020 habe die EU-Kommission auf „ernsthafte Warnzeichen“ wie Polens „LGBT-freie Zonen“ und Ungarns Angriffe auf die Community nur mit „weichen Instrumenten und unverbindlicher Koordinierung“ reagiert und zudem festgelegt, dass Gesetzesvorschläge einstimmig angenommen werden müssen – im Falle von LGBTIQ+ laut Forbidden Colours zumeist eine Unmöglichkeit.
„Fünf Jahre später sind diese Versäumnisse noch offensichtlicher und gefährlicher geworden. Pride-Märsche werden verboten. Organisationen der Zivilgesellschaft werden überwacht oder finanziell abgeschafft. Sogenannte ´Anti-LGBT-Propaganda -Gesetze breiten sich aus. Doch anstatt sich an diese Realität anzupassen, hat die Kommission eine Konsultation eingeleitet, die auf demselben kaputten Modell beruht.“ Dabei werde die Verantwortung verwischt und abermals nur symbolische Maßnahmen angedacht. „Es ist ein institutionelles Gaslighting. Grundrechte sind keine Speisekarte – und die Aufgabe der Kommission ist es nicht, zu fragen, was zu schützen ist, sondern alles zu schützen“, so Rechtsexperte Vincent Reillon von Forbidden Colours.
Anti-LGBTIQ+-Bewegungen kapern EU-Verfahren
Inzwischen haben demnach Anti-LGBTIQ+-Bewegungen das öffentliche Feedback-Portal der Kommission ausgenutzt, um massiv feindliche Botschaften zu verbreiten. Von den derzeit rund 350 Beiträgen sprechen sich mehr als 60 Prozent gegen die Gleichstellung von LGBTIQ+ aus. Forbidden Colours fordert daher eine völlige Neuausrichtung der Strategie, die auf rechtlichen Maßnahmen, politischer Ehrlichkeit und institutioneller Rechenschaftspflicht beruhen sollte. „Einen Flächenbrand bekämpft man nicht mit einer Gießkanne. Auf autoritäre Rückschritte reagiert man nicht mit runden Tischen und Leitfäden. Die Kommission ist keine Denkfabrik. Sie ist die Hüterin der Verträge. Und es ist an der Zeit, dass sie sich auch so verhält“, so Bonny abschließend.