Lebenserwartung bei LGBTI* Jeder dritte junge LGBTI*-Amerikaner glaubt nicht daran, 35 Jahre alt zu werden
Schwarze LGBTI*-Menschen haben eine geringere Lebenserwartung als weiße Homosexuelle und queere Personen in den USA – zu diesem traurigen Schluss kamen LGBTI*-Jugendliche jetzt in einer Umfrage der größten queeren Jugendorganisation Amerikas, dem Trevor Project. Befragt wurden dabei rund 28.500 homosexuelle und queere junge Menschen im Alter von 13 bis 24 Jahren.
Jeder Dritte blickt pessimistisch in die Zukunft
Grundsätzlich ist die Mehrheit der jungen LGBTI*-Amerikaner (58%) der Auffassung, dass sie eine hohe Chance haben, 35 Jahre oder älter zu werden. Dem gegenüber stehen 34 Prozent, die ihre eigene Lebenserwartung als gering einschätzen, besonders stark vertreten sind Personen mit schwarzer Hautfarbe. Warum jeder dritte junge LGBTI*-Mensch in den USA davon überzeugt ist, erklärt Forschungsleiter und Doktor der klinischen Psychologie, Steven Hobaica, mit einer ganzen Reihe von Faktoren.
Im Zentrum steht dabei allerdings die Frage nach dem eigenen Sinn im Leben, den viele queere Jugendliche nicht sehen können oder wollen: „LGBTI*-Jugendliche, die glaubten, eine hohe Chance zu haben, über 35 Jahre alt zu werden, gaben auch häufiger an, einen Lebenssinn für sich zu haben, was uns zeigt, dass die Förderung genau dieser Fragen rund um den eigenen Lebenssinn entscheidend sein können für die Suizidprävention.“
Die Suche nach dem Lebenssinn
Ob ein junger LGBTI*-Mensch in den USA für sich einen Lebenssinn definieren kann, liege dabei in hohem Maße auch an Faktoren von außerhalb, beispielsweise Unterstützungserfahrungen bei Eltern, Lehrern und Freunden, ein bejahendes schulisches Umfeld oder auch eine Einbindung in die Community. Auch positives Feedback zum Beispiel durch Therapeuten oder medizinisches Personal trage dazu bei.
Alles Aspekte, die mehrheitlich bei schwarzen LGBTI*-Jugendlichen in den USA offenbar deutlich stärker unterrepräsentiert sind als bei Homosexuellen und queeren Menschen mit weißer Hautfarbe. Der demografische Faktor tritt in der Studie klar hervor, vor allem bei schwarzen Jugendlichen im Alter zwischen 13 und 17 Jahren – sie äußerten deutlich mehr Bedenken über ihre eigene künftige psychische Gesundheit und ihre Lebenserwartung.
Mehrfach marginalisierte Jugendliche
Laut Hobaica liege das vor allem daran, dass nebst allen Kämpfen, denen sich junge LGBTI*-Menschen in den USA sowieso stellen müssen, bei jenen mit schwarzer oder dunkler Hautfarbe noch weitere Faktoren hinzukommen können: „Es ist gut dokumentiert, dass Jugendliche, die mehrere marginalisierte Identitäten haben, wie schwarze LGBTI*-Jugendliche, höhere Raten von belastenden Lebensereignissen und psychischen Gesundheitsproblemen aufweisen als ihre weißen LGBTI*-Kollegen, was diese Ergebnisse erklären könnte.“
So zeigt sich wenig verwunderlich dann auch, dass queere Jugendliche, die der Auffassung sind, eine niedrige Lebenserwartung zu haben, auch deutlich öfter an Angstzuständen (82% gegenüber 58%), Depressionen (77% gegenüber 40%) und Suizidgedanken (69% gegenüber 24%) leiden. Fünfmal so häufig planen sie einen konkreten Selbstmordversuch (28% gegenüber 6%).
Hobaica fordert daher einen „systemischen Politikwandel“, um die psychische Gesundheit von LGBTI*-Jugendlichen zu verbessern: „Dazu gehören Maßnahmen wie das Verbot der Konversionstherapie, die Verbesserung des Zugangs zur Gesundheitsversorgung und des Bildungsumfelds sowie die Schaffung von Schutzmaßnahmen gegen Diskriminierung.“ Ob es dazu allerdings aktuell in den USA kommt, darf angesichts der Anti-Diversity-Agenda von Präsident Donald Trump stark bezweifelt werden. Die Studie selbst wurde vor dem Amtsantritt des Republikaners durchgeführt – die Chancen stehen also gut, dass sich die Umfragewerte in diesem Jahr weiter verschlechtern könnten.