Schwere Vorwürfe Verstöße gegen das Arbeitsrecht: Schwule Mitarbeiter wurden vom CEO beschimpft und gemobbt
Schwere Vorwürfe gegen das Modehaus Vivienne Westwood: Wurden schwule Mitarbeiter von Geschäftsführer Carlo D'Amario über längere Zeit immer wieder homophob beleidigt und gemobbt? Der britische Guardian berichtet über fortwährende Attacken und einem vergifteten Klima im Stammhaus in London – eine unabhängige Untersuchung hat die Problematik nun bestätigt.
Anwaltskanzlei bestätigt Vorwürfe
Erstmals wurde der italienische Geschäftsführer 2023 von einem Angestellten beschuldigt, häufig homophobe Verunglimpfungen, Mobbing und diskriminierendes Verhalten an den Tag zu legen. Daraufhin meldeten sich weitere schwule Männer zu Wort – der unabhängige Arbeitsrechtsspezialist Paul Livingston von der Anwaltskanzlei Outer Temple Chambers bestätigte nun nach der Befragung von Zeugen und einer internen Untersuchung, dass wohl tatsächlich mehrfach gegen das Arbeitsrecht verstoßen worden war. Konsequenzen für D'Amario scheinen die Vorfälle bisher nicht zu haben – während die Mobbingopfer das Unternehmen inzwischen verlassen haben, ist der Italiener nach wie vor Geschäftsführer und bekommt nach Angaben des Guardian ein „sechsstelliges Gehalt“.
Konkret wird dem 79-jährigen D'Amario, der Vivienne Westwood seit fast vier Jahrzehnten leitet, immer wieder vorgeworfen, er soll sich über die Homosexualität von Mitarbeitern lustig gemacht haben und sie mit homophoben Spitznamen wie „Mary Poppins“, „Mary Fairy“ und „Homo Pomo“ betitelt haben. An anderer Stelle hatte D'Amario die Auslagen in den Geschäften des Unternehmens bei Missfallen offenbar gerne als „zu schwul“ beschimpft. Laut einem Zeugen soll der 79-Jährige auch mehrfach Dinge gesagt haben wie: „All diese schwulen Männer in der Firma, man kann ihnen nicht trauen. Sie haben keine Verantwortung.“ Die Mitarbeiter im Haus soll er als „Schwulenparade“ bezeichnet haben. Immer wieder soll er sich darüber hinaus auch über ausländische Angestellte rassistisch geäußert haben.
Der ehemalige Mitarbeiter Johnny Valencia erklärte inzwischen öffentlich via Instagram: „Jedes Mal, wenn ich die homophoben und frauenfeindlichen Beschimpfungen von D'Amario zur Sprache brachte, wurde es immer unter den Teppich gekehrt: ´Oh, das ist nur Carlo. Er ist aus einer anderen Generation.´ Er hat es so unerträglich gemacht, für Westwood zu arbeiten. Dieser Mann kann zur Hölle fahren.“ Laut Valencia soll D'Amario ihn auch angewiesen haben, sich für potenzielle neue Kunden zu prostituieren.
Langanhaltende Krise im Modehaus
Die Krise im Modehaus wurde erstmals im November letzten Jahres publik, nachdem die Enkelin der verstorbenen Mode-Ikone Westwood, Cora Corré, das Unternehmen verlassen hatte. Sie beschuldigte D'Amario, die Entwürfe ihrer Großmutter zu missbrauchen und die Mittel der gemeinnützigen Vivienne Foundation mit juristischen Mitteln zurückzuhalten. Laut Corré habe sich ihre Großmutter kurz vor ihrem Tod im Dezember 2022 dafür ausgesprochen, dass der Italiener als Geschäftsführer abgesetzt wird, sie sei mit ihm „zutiefst unglücklich“ gewesen.
Ähnliches berichtete auch der britische Künstler Daniel Lismore, ein Freund und Mitarbeiter der verstorbenen Mode-Ikone: „An dem letzten Tag, den ich mit Vivienne verbrachte, vertraute sie mir ihre Gefühle gegenüber Carlo an und drückte ihre Verzweiflung darüber aus, wie er sie ihrer Meinung nach behandelt hatte. Sie erzählte mir, wie sehr sie der Gedanke schmerzt, dass er sie überleben wird und wie sie glaubt, dass er so viel von dem, wofür sie gekämpft hat, zunichte gemacht hat. Es brach mir das Herz, als sie das sagte.“
Das Vermächtnis der Mode-Ikone
Westwood engagierte sich über Jahrzehnte hinweg für die LGBTIQ+-Community und sorgte bereits in den 1970er Jahren mit T-Shirts mit der Aufschrift „Gay Cowboys“ für hitzige Diskussionen und eine verstärkte Sichtbarkeit von schwulen Männern. Ein guter Freund von Westwood, der Sänger Boy George, meldete sich inzwischen auch zu Wort: „Viele schreckliche Dinge wurden Vivienne während ihrer Karriere angetan, und wen kümmert es, was er gesagt hat, denn es ändert nichts daran, wer sie war. Es macht ihr Vermächtnis nicht zu einer dummen, homophoben Bemerkung. Vivienne war verdammt viel mehr als das.“
D'Amario wies derweil alle Kritikpunkte zurück, eine Angestellte der Führungsetage betonte außerdem, es sei aufgrund von „Sprachbarrieren zu Missverständnissen“ gekommen. Arbeitsrechtsspezialist Livingston widerspricht dieser Einschätzung. Im Stammhaus von Vivienne Westwood Ltd. Im Südwesten Londons arbeiten derzeit mehr als 300 Menschen.