Angst in Russland LGBTI*-Aktivisten befürchten 2025 mehr Razzien, Verhaftungen und Polizeigewalt
Immer mehr Angst in der Community und eine düstere Prognose für 2025 – so lässt sich die Situation für Homosexuelle derzeit in Russland zusammenfassen. Gegenüber Voice of America erklärten nun mehrere LGBTI*-Aktivisten vor Ort, dass die Lage in diesem Jahr noch einmal schlimmer werden dürfte.
Neue Welle von Razzien
Insbesondere Schwule befürchten eine weitere Zunahme von Verhaftungen und Razzien wie jene, die in den letzten Wochen gleich mehrfach in Schwulenclubs sowohl in Moskau wie auch anderenorts stattgefunden haben. Bis zu einhundert Personen wurden dabei insgesamt verhaftet, viele warten seitdem in Untersuchungshaft auf ihre Verurteilung, genaue Zahlen gibt es indes bis heute nicht.
Anwalt Max Olenichev mit Schwerpunkt LGBTI*-Rechte betont: „Die Menschen schotten sich mehr und mehr ab. Sie gehen nicht mehr an solche Orte. Aber ich sage immer, dass es wichtig ist, soziale Verbindungen auch auf horizontaler Ebene zu pflegen. Kein Gesetz kann den Menschen verbieten, gemeinsam ins Kino zu gehen, zu Hause Partys zu feiern und irgendwie miteinander über Themen zu kommunizieren.“
Geldstrafen für Regenbogenfahnen
Für viele Homosexuelle im Land sei die Flucht inzwischen nicht mehr möglich. Unbarmherzig sind sie den beiden Hass-Gesetzen ausgesetzt, dem Anti-Homosexuellen-Gesetz von 2013 und dem neuen Terrorismus-Gesetz, das die LGBTI*-Bewegung insgesamt als extremistisch einstuft. Dabei werden nicht nur Aktivisten von LGBTI*-Verbänden verhaftet, sondern auch Mitarbeiter von Clubs oder ähnlichen Einrichtungen, in denen Homosexuelle verkehren.
„Das heißt, es handelt sich nicht direkt um Aktivisten, die beispielsweise Informationen in sozialen Netzwerken posten und nach Ansicht der Behörden 'Propaganda für nicht-traditionelle sexuelle Beziehungen' betreiben“, so Dmitri Anisimow, Pressesprecher des OVD-Info-Projekts. Nach Angaben der Organisation wurden 2024 zahlreiche russische Bürger verhaftet und zu Geldstrafen verurteilt, oftmals allein deswegen, weil sie im Internet Beiträge mit Regenbogenflaggen veröffentlicht hatten, die zum Teil schon Jahre zuvor eingestellt worden waren.
Ungeklärter Tod eines Reisebüro-Besitzers
Geschockt zeigt sich die Community auch nach wie vor über den Fall eines Eigentümer eines Reisebüros, der schwulen Männern Urlaube ermöglichte. Andrej Kotow, der Inhaber des „schwulen Reisebüros“ Men Travel, war wegen „Organisation und Beteiligung an extremistischen Aktivitäten“ im Oktober letzten Jahres verhaftet worden – eine Anklage, die er vehement bestritt. Nach Angaben von OVD-Info wurde Kotow einen Tag vor Silvester tot in seiner Arrestzelle aufgefunden. Todesursache unklar. Vor seinem Tod hatte Kotow aus der Haft heraus über brutale Polizeiwillkür, Schläge und Elektroschocks berichtet.