Urteil zur Religionsfreiheit Erneut schwächte der Supreme Court die Community: Im jüngsten Fall ging es um queere Märchenbücher an Grundschulen
Die neun Richter am Obersten Gerichtshof in den USA haben in einem Rechtsstreit nun mehrheitlich einer Gruppe von religiösen Eltern rechtgegeben und damit erstmals die Grenze zwischen weltlich-neutraler Bildung und religiösem Glauben verwischt. Die Eltern hatten geklagt, weil sie nicht zulassen wollten, dass sich ihre Kinder in der Grundschule mit LGBTIQ+-Büchern beschäftigen müssen.
Urteil mit landesweiten Folgen
Nach Beschluss des Supreme Courts verletzten die Verantwortlichen eines Vorstadtschulbezirks in der Nähe von Washington, DC, die Rechte der Eltern nach dem Ersten Verfassungszusatz, indem sie ihnen nicht erlaubt hatten, ihre Kinder aus dem Klassenzimmer zu nehmen, wenn Bücher mit LGBTIQ+-Themen verwendet werden. Das Urteil dürfte landesweit große Bedeutung an Schulen in den USA haben.
Einmal mehr zeigte die neuste Mehrheitsentscheidung auch den Riss auf, der durch das Oberste Gericht selbst geht – die drei liberalen Richter hatten gegen die Klage der Eltern votiert, die sechs konservativen Richter dafür. Richter Samuel Alito erklärt dazu schriftlich: „Die Einführung der LGBTIQ+-inklusiven Märchenbücher durch die Schulbehörde zusammen mit der Entscheidung, Opt-Outs zu verweigern, stellt eine verfassungswidrige Belastung für die Rechte der Eltern auf freie Religionsausübung dar.“ Alito ist auch in puncto Ehe für alle ein Hardliner und wünscht sich eine Überarbeitung und Rückabwicklung des Rechts auf gleichgeschlechtliche Ehe – erst letzte Woche feierte die Homo-Ehe in den USA zehnjähriges Jubiläum.
Sarah Kate Ellis, Präsidentin vom größten queeren US-Verband GLAAD, erklärte nach dem Urteil, dass der Oberste Gerichtshof damit erstmals den Rechten einer kleinen Gruppe Vorrang eingeräumt habe und damit zudem LGBTIQ+-Familien ausgrenze. Gleich sei nun nicht mehr gleich im Klassenzimmer. „Wir sind in jeder Schule, in jedem Klassenzimmer, in jeder Gemeinde, an jedem Arbeitsplatz und in jeder Familie. Es geht also darum, uns aus dieser Situation herauszuholen und die Religion als Waffe dafür zu benutzen.“
Queere Niederlagen vor Gericht
Das jüngste Urteil vor Gericht stellt eine weitere Niederlage für die queere Community in den USA dar. Erst letzte Woche bekräftigen die Richter des Supreme Courts das geltende Verbot von Maßnahmen für den Geschlechtswechsel bei Minderjährigen in Tennessee. Es ist davon auszugehen, dass andere republikanische US-Bundesstaaten darauf aufbauend ähnliche Verbotsgesetze verstärken oder umsetzen werden.
Zudem wurde die Stellung des US-Präsidenten Donald Trump ebenso letzte Woche gestärkt – der Supreme Court hatte entschieden, dass Bundesrichter nicht landesweit Dekrete von Trump aussetzen lassen dürfen – viele davon richteten sich in der Vergangenheit gegen die queere Community, insbesondere gegen trans* Personen. Landesweite Stopps überschritten aber die Befugnisse von unteren Instanzen, sodass Bundesrichter nur im Einzelfall Gesetzesmaßnahmen vorerst aussetzen können, bis diese final vor Gericht geklärt sind.
Ein Schlag gerade für queere Aktivisten im Land, die zuletzt immer wieder gegen Dekrete von Trump geklagt hatten. Trump selbst sprach von einem „monumentalen Sieg“ und sagte zudem: „Eine große, wundervolle Entscheidung, über die wir sehr glücklich sind.“ Zudem betonte er: „Dank dieser Entscheidung können wir nun ordnungsgemäß einen Antrag stellen, um mit diesen zahlreichen Maßnahmen und denjenigen, die zu Unrecht landesweit untersagt wurden, fortzufahren.“ In seiner anschließenden Aufzählung benannte er auch die geplante Unterbindung der Bezahlung von Operationen für trans* Menschen durch den Staat. Kritiker wie der Minderheitsführer der Demokraten im Senat, Chuck Schumer, redete nach dem Urteil von einem „noch nie dagewesenen und erschreckenden Schritt in Richtung Autoritarismus. Eine große Gefahr für unsere Demokratie.“