Prozessauftakt in der Türkei 53 CSD-Demonstranten des Istanbul Pride angeklagt
In der Türkei startete heute Vormittag der Prozess gegen 53 Menschen, die beim verbotenen Pride in Istanbul im Juni dieses Jahres demonstriert haben. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International fordert die sofortige Einstellung des Verfahrens und die Freilassung aller Angeklagten, die sich zumeist seit ihrer Festnahme vor eineinhalb Monaten in Untersuchungshaft befinden.
Alarmierende Eskalation
Carmen Traute, Expertin für Europa und Zentralasien bei Amnesty International in Deutschland, erklärte dazu: „Die Anklagen gegen friedlich demonstrierende Menschen stellt eine alarmierende Eskalation der Kriminalisierung der LGBTI-Community in der Türkei dar. Seit 2015 wird die Pride in Istanbul rechtswidrig verboten. Dieses Vorgehen ist Teil einer bewussten Strategie der türkischen Behörden, um queere Stimmen zu unterdrücken und die Sichtbarkeit der LGBTI-Community im öffentlichen Raum zu verringern.“ Unter den Angeklagten befinden sich nach Angaben der Menschenrechtsorganisation auch sechs Rechtsanwälte und drei Journalisten. Allen Angeklagten wird dabei vorgeworfen, gegen das türkische Versammlungs- und Demonstrationsgesetz verstoßen zu haben.
Attacken gegen die Community
Expertin Traute betonte dazu weiter: „Niemand darf wegen der Ausübung seines Rechts auf friedliche Versammlung verhaftet oder strafrechtlich verfolgt werden. Die Inhaftierten müssen umgehend freigelassen und alle Anklagen gegen die 53 Personen fallengelassen werden!“ Der Ausgang des Prozesses heute vor dem 51. Strafgericht Erster Instanz in Istanbul ist völlig offen, eine Amnesty-Beobachterin ist zur Stunde vor Ort.
Der Pride in Istanbul wird seit zehn Jahren immer wieder aus angeblichen Sicherheitsbedenken heraus verboten. Gleichzeitig geht Präsident Recep Erdoğan immer rabiater gegen die LGBTIQ+-Community vor inklusive eines neuen Anti-LGBTIQ+-Gesetzes, das für Homosexuelle Haftstrafen von bis zu 16 Jahren vorsieht. Auch die Polizeigewalt hat in diesem Jahr massiv zugenommen. Zuletzt machte Anfang der Woche die Festnahme des LGBTIQ+-Aktivisten und türkischen Jugenddelegierten des Europarates, Enes Hocaoğulları, Schlagzeilen – der 23-Jährige hatte zuvor in einer Rede Kritik an der Politik seines Heimatlandes und an der Polizeigewalt geübt.