Drug-Checking in Berlin Rund 1.800 Proben in 12 Monaten - im Fokus dabei gerade auch Chemsex-Substanzen
Vor einem guten Jahr startete in Berlin das von der Senatsverwaltung mit 200.000 Euro jährlich geförderte Projekt Drug-Checking, im Fokus dabei stehen seitdem vor allem auch Chemsex-Konsumenten und mögliche lebensgefährliche Überdosierungen. Nun zogen die Verantwortlichen eine erste Bilanz über das Vorhaben, das landesweit Nachahmer finden soll.
1.800 Proben in einem Jahr
Seit dem Sommer 2023 können Drogenkonsumenten ihre illegalen Substanzen an drei Beratungsstellen in Kreuzberg (Vista), Neukölln (Fixpunkt) und bei der Schwulenberatung in Charlottenburg anonym analysieren lassen. Die Laboruntersuchung dauert drei Tage, dann ist klar, ob die Substanzen möglicherweise gestreckt wurden und wie potenziell gefährlich sie sind.
Im Zeitraum von einem Jahr wurden rund 1.800 Proben ausgewertet, so die neusten Daten der Berliner Gesundheitsverwaltung. Zu den häufigsten getesteten Substanzen gehören MDMA, Ecstasy sowie Kokain, Ketamin und Speed – viele davon sind auch in der Berliner Schwulen- und Chemsex-Szene bis heute sehr beliebt. Insgesamt wurden 850 Warnungen vor verunreinigten Substanzen ausgesprochen, besonders dramatisch sei die Lage bei Kokain, das häufig mit dem Tierentwurmungsmittel Tetramisol gestreckt werde und so zu lebensgefährlichen Nekrosen führen kann.
Positives erstes Fazit
Die Betreiber der Einrichtungen sowie die Lokalpolitik zogen jetzt ein positives erstes Fazit zur Aktion, auch wenn es zuvor immer wieder massive Vorbehalte und Widerstände gegeben habe und man immer wieder den „gesundheitspolitischen Ansatz und die Förderung der Konsumkompetenz“ erläutert haben müsse.
Die Auswertung der Konsumentendaten zeigen dabei zudem auf, dass fast 83 Prozent der Drug-Checking-Nutzer zuvor ansonsten noch nie Kontakt zu Drogen- oder Suchthilfeangeboten hatten. Aktuell wird deswegen auch darüber diskutiert, anstelle von stationären Anlaufstellen ein mobiles Angebot mit schnelleren Testverfahren ins Leben zu rufen, um mehr Menschen direkt vor Ort erreichen zu können. Ansonsten drohe das Projekt schlussendlich an der Lebensrealität der Berliner vorbeizugehen – die wenigsten Konsumenten nehmen den Weg zu einer Einrichtung auf sich und warten dann drei Tage vor der Einnahme die Ergebnisse ab. Die Daten der Polizei zeigen dabei auf, dass der Drogenkonsum in der Regenbogenhauptstadt weiter ansteigt.
Schneller und mobil
„Wir brauchen schnelle und gut erreichbare Analysemethoden“, betonte deswegen auch Tamara Lüdke, drogenpolitische Sprecherin der SPD, gegenüber der taz. Als Vorbild könne hier das Pilotprojekt Alive (Analysebasierte Intervention) dienen – seit 2021 werden dabei vor Ort bei Partys und Festivals in Thüringen Drogen analysiert.
Ob das tatsächlich umsetzbar ist, bleibt in Berlin offen – angesichts strikter Sparmaßnahmen der Stadt hofft man zunächst darauf, dass die bisherigen Mittel für das Projekt Drug-Checking nicht schlussendlich gekürzt werden. Das wäre aus Sicht der Experten ein fatales Zeichen angesichts der erneut stark angestiegenen Fälle von Drogentoten in Deutschland. In der Bundesrepublik gab es im Jahr 2023 so viel Drogentote wie nie zuvor, insgesamt 2.227 Menschen.