Direkt zum Inhalt
Drug-Checking in Berlin

Drug-Checking in Berlin Rund 1.800 Proben in 12 Monaten - im Fokus dabei gerade auch Chemsex-Substanzen

ms - 06.09.2024 - 14:00 Uhr
Loading audio player...

Vor einem guten Jahr startete in Berlin das von der Senatsverwaltung mit 200.000 Euro jährlich geförderte Projekt Drug-Checking, im Fokus dabei stehen seitdem vor allem auch Chemsex-Konsumenten und mögliche lebensgefährliche Überdosierungen. Nun zogen die Verantwortlichen eine erste Bilanz über das Vorhaben, das landesweit Nachahmer finden soll. 

1.800 Proben in einem Jahr 

Seit dem Sommer 2023 können Drogenkonsumenten ihre illegalen Substanzen an drei Beratungsstellen in Kreuzberg (Vista), Neukölln (Fixpunkt) und bei der Schwulenberatung in Charlottenburg anonym analysieren lassen. Die Laboruntersuchung dauert drei Tage, dann ist klar, ob die Substanzen möglicherweise gestreckt wurden und wie potenziell gefährlich sie sind. 

Im Zeitraum von einem Jahr wurden rund 1.800 Proben ausgewertet, so die neusten Daten der Berliner Gesundheitsverwaltung. Zu den häufigsten getesteten Substanzen gehören MDMA, Ecstasy sowie Kokain, Ketamin und Speed – viele davon sind auch in der Berliner Schwulen- und Chemsex-Szene bis heute sehr beliebt. Insgesamt wurden 850 Warnungen vor verunreinigten Substanzen ausgesprochen, besonders dramatisch sei die Lage bei Kokain, das häufig mit dem Tierentwurmungsmittel Tetramisol gestreckt werde und so zu lebensgefährlichen Nekrosen führen kann. 

Positives erstes Fazit 

Die Betreiber der Einrichtungen sowie die Lokalpolitik zogen jetzt ein positives erstes Fazit zur Aktion, auch wenn es zuvor immer wieder massive Vorbehalte und Widerstände gegeben habe und man immer wieder den „gesundheitspolitischen Ansatz und die Förderung der Konsumkompetenz“ erläutert haben müsse. 

Die Auswertung der Konsumentendaten zeigen dabei zudem auf, dass fast 83 Prozent der Drug-Checking-Nutzer zuvor ansonsten noch nie Kontakt zu Drogen- oder Suchthilfeangeboten hatten. Aktuell wird deswegen auch darüber diskutiert, anstelle von stationären Anlaufstellen ein mobiles Angebot mit schnelleren Testverfahren ins Leben zu rufen, um mehr Menschen direkt vor Ort erreichen zu können. Ansonsten drohe das Projekt schlussendlich an der Lebensrealität der Berliner vorbeizugehen – die wenigsten Konsumenten nehmen den Weg zu einer Einrichtung auf sich und warten dann drei Tage vor der Einnahme die Ergebnisse ab. Die Daten der Polizei zeigen dabei auf, dass der Drogenkonsum in der Regenbogenhauptstadt weiter ansteigt. 

Schneller und mobil 

„Wir brauchen schnelle und gut erreichbare Analysemethoden“, betonte deswegen auch Tamara Lüdke, drogenpolitische Sprecherin der SPD, gegenüber der taz. Als Vorbild könne hier das Pilotprojekt Alive (Analysebasierte Intervention) dienen – seit 2021 werden dabei vor Ort bei Partys und Festivals in Thüringen Drogen analysiert. 

Ob das tatsächlich umsetzbar ist, bleibt in Berlin offen – angesichts strikter Sparmaßnahmen der Stadt hofft man zunächst darauf, dass die bisherigen Mittel für das Projekt Drug-Checking nicht schlussendlich gekürzt werden. Das wäre aus Sicht der Experten ein fatales Zeichen angesichts der erneut stark angestiegenen Fälle von Drogentoten in Deutschland. In der Bundesrepublik gab es im Jahr 2023 so viel Drogentote wie nie zuvor, insgesamt 2.227 Menschen. 

Anzeige
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE

Auch Interessant

Opfer mit Böller angegriffen

Verdächtige 16 und 18 Jahre alt

Vor zwei Monaten kam es im Hamburger Stadtpark zu einem schwulenfeindlichen Angriff. Zwei Brüder wurden nun als Hauptverdächtige festgenommen.
Bilanz ESC 2025

Mehrwert für die Schweiz

Die Schweiz zieht ein positives Fazit über den ESC 2025 in Basel: Die Kassen klingelten und das Image hat sich deutlich verbessert.
Schwules Paar überfahren

Homophober Angriff in London

Mordprozess in London: Am Weihnachtsabend 2024 raste ein 30-Jähriger in eine Menschenmenge, darunter ein schwules Paar. Ein Mann starb dabei.
Lügen vor Millionenpublikum

Anti-LGBTIQ+-Rhetorik von rechts

In der „Tucker Carlson Show“ mit dem rechten Aktivisten Milo Yiannopoulos entlud sich wieder einmal eine Welle LGBTIQ+-feindlicher Rhetorik.
Lynchversuch an Universität

Student in Uganda angegriffen

Eine Gruppe homophober Studenten versuchte an der größten Universität in Uganda einen Kommilitonen zu ermorden. Jetzt hat der Fall erste Konsequenzen.
Neue Vorwürfe in England

Homophobie unter Polizisten

Erneut steht die britische Polizei in der Kritik: Verschleppte sie die Aufklärung von Raubüberfällen auf Schwule aufgrund von Homophobie?
Italiens neue Zensur

Verbotspläne schreiten voran

"Gott, Vaterland und Familie“: Nur Sexualkunde und LGBTIQ+ soll es an vielen Schulen Italiens bald nicht mehr geben, beschlossen die Parlamentarier.
Jugend unter Druck

Psychische Probleme stark vertreten

Viele queere Jugendliche haben Zukunftsängste, neuerdings auch mit Blick auf die Spaltung der Gesellschaft. Details offenbart eine neue Studie.