Bibliotheksvorstand gefeuert Ein queeres Kinderbuch spaltet eine US-Stadt
Der „Kampf“ gegen vermeintlich böse homosexuelle und queere Bücher hat in den USA eine neue Eskalationsstufe erreicht – nun wurden in Randolph County, North Carolina, alle Mitglieder des öffentlichen Bibliotheksvorstands entlassen, nachdem sie entschieden hatten, ein Kinderbuch mit einer trans* Hauptfigur im Bestand zu belassen.
Bisher einmaliger Vorgang
Die Entscheidung zur Entlassung fiel nach einer 3:2-Abstimmung des Bezirksvorstands (Board of Commissioners). Die Bibliotheksmitglieder hatten zuvor beschlossen, das Buch „Call Me Max“ nicht zu entfernen. In dem Bilderbuch bittet ein trans* Junge seine Lehrerin, seinen gewählten Namen zu verwenden. Fast 200 Einwohner nahmen an der öffentlichen Anhörung teil, die Debatte spiegelte dabei eine tief gespaltene Gemeinde wider: Einige forderten die Entlassung des Vorstands, andere plädierten dafür, den Prüfungsprozess der Bibliothek zu respektieren.
Das Bibliothekspersonal und die Vorstandsmitglieder hatten eine formelle Beschwerde zum Buch geprüft und im Oktober festgestellt, dass es den Richtlinien des Bezirks entspricht. Sie stimmten dafür, das Buch in der Kinderabteilung zu belassen, berichtete der CBS-Ableger WFMY. Trotz der Einhaltung der eigenen Regeln lösten die Kommissare den Vorstand vollständig auf – ein Schritt, der nach dem Recht von North Carolina zulässig ist, aber sehr selten genutzt wird. Kritiker bezeichneten die Entlassung als starke Eskalation im politischen Umgang mit Buchprüfungen.
Kasey Meehan, Direktorin des Freedom to Read Program bei PEN America, sagte der Washington Post: „Es ist eine ziemlich dramatische Reaktion darauf, dass vielfältige und inklusive Bücher in den Regalen stehen sollen.“ Sie fügte hinzu, die Entscheidung von Randolph County zähle zu den härtesten Konsequenzen, die sie für ein einzelnes Buch gesehen habe.
Eine Frage der Macht
Gegner des Buches argumentierten, es gehe einmal mehr um Kindersicherheit. Tami Fitzgerald, Geschäftsführerin der konservativen North Carolina Values Coalition, erklärte, „Call Me Max“ lehre Kinder, dass ihre Eltern in Bezug auf ihr Geschlecht „falsch liegen könnten“. Autor Kyle Lukoff betonte im Gegenzug, dass die Auseinandersetzung zeige, wie normale Prüf-Verfahren im Literaturbetrieb ignoriert werden können, wenn LGBTIQ+-Darstellungen das Thema sind: „Richtlinien können hilfreich sein, aber letztlich geht es um Macht. Wenn Menschen in Machtpositionen glauben, dass trans* Menschen nicht in ihren Gemeinschaften oder in der Welt dazugehören, werden sie diese Richtlinien verdrehen, um ihre Vorstellungen durchzusetzen.“
Randolph County hat rund 150.000 Einwohner. Die Kommissare haben bislang nicht bekanntgegeben, wann oder wie der Bibliotheksvorstand wieder eingesetzt werden soll. Das Buch „Call Me Max“ war bereits in mehreren Schulbezirken verboten worden und wurde 2022 auch von Floridas Gouverneur Ron DeSantis zitiert, als er sein „Don’t Say Gay“-Gesetz bewarb. Die American Library Association (ALA) erklärte in diesem Jahr, dass sie davon ausgehe, dass sich die Kämpfe um Bücher mit LGBTIQ+-Inhalten in den USA noch weiter verschärfen werden. Die Richter des Supreme Courts lehnten zuletzt Mitte Dezember allerdings ab, sich in einer Grundsatzentscheidung mit der Problematik zu befassen.