Verbotene Bücher Leser und Fachleute der US-Buchszene befrüchten weitere Radikalisierung im Kampf gegen LGBTIQ+-Werke
In diesen Tagen wird in den USA die National Library Week gefeiert, ein jährliches Festival in vielen Städten der Vereinigten Staaten zu Ehren der Bibliotheken und ihrer Mitarbeiter, ausgerichtet von der American Library Association (ALA). In diesem Jahr gibt es vielerorts nur ein Thema: Die bizarren Verbote rund um Bücher mit LGBTIQ+-Inhalten und die Frage, wie sich die Lage unter Donald Trump als US-Präsident weiter zuspitzen könnte.
Hass der Hardliner
Dazu veröffentlichte die ALA eine neue Ranking-Liste mit den Top-10-Buchtiteln, die im vergangenen Jahr landesweit am häufigsten verboten worden sind. Ein bisschen Galgenhumor als Mutmacher, sozusagen. Ganz vorne mit dabei sind Bücher mit homosexuellen und queeren Aspekten – wohlgemerkt, keine pornografischen Angebote. Die Spannweite reicht von Ratgebern und Sachbüchern bis hin zu Romanen. Hass-Objekt des Jahres ist das Werk „All Boys Aren´t Blue“ von George M. Johnson, der darin von seiner Jugend als schwarzer queerer Junge erzählt. Während die US-Presse von einem brillanten Text schwärmt, sehen Hardliner und Konservative darin ganz offensichtlich das ultimativ Böse.
Ein Wort reicht für die Verdammung
Das besonders Pikante dabei: Die neue Studie von ALA zeigt auf, dass 72 Prozent derjenigen, die sich dafür einsetzen, dass bestimmte Titel auf den Index kommen und aus den Bibliotheken verbannt werden, die Werke selbst gar nicht komplett gelesen haben. Einzelne Seiten, ein Buchtitel oder Hörensagen reichen aus, um die Publikationen zu verbannen. „Diese Gruppen versuchen zu definieren, wer ein akzeptables und gültiges menschliches Wesen im öffentlichen Raum ist und wer nicht“, so Angie Hayden, Mitbegründerin von Read Freely Alabama, einem Verein zur Bekämpfung von Bibliothekszensur, die überdies betont: „Sie finden ein einziges Schimpfwort in einem 300-seitigen Roman und bezeichnen es als unangemessen. Ein Wort reicht aus, um ein Buch fälschlicherweise als Obszönität darzustellen. Offensichtlich versuchen diese Gruppen zu kontrollieren, was die Menschen lesen können, und sie sind bereit, das örtliche Bibliothekspersonal zu verunglimpfen und zu terrorisieren, um dies zu erreichen.“
Über 4.000 Buchtitel in über 40 US-Bundesstaaten stehen inzwischen auf dem Index, weitere folgen. „Die Bewegung, Bücher zu verbieten, ist keine Bewegung von Eltern, sondern eine Bewegung von Parteigängern, die unsere Freiheit, zu lesen und unsere Fähigkeit, frei zu denken, einschränken wollen“, so Deborah Caldwell-Stone, Direktorin des ALA-Büros für geistige Freiheit.
Rotstift bei den Bibliotheken
Dass es in den nächsten Jahren besser wird, glaubt indes kein Fachmann oder Besucher der Buchmesse. Im Gegenteil: Präsident Trump hat Keith E. Sonderling zum US-Arbeitsminister ernannt, der nun auch für die Bibliotheken zuständig ist. Laut der queeren Organisation GLAAD ist Sonderling auch im Wortsinn ein „Sonderling mit keinerlei Erfahrung oder Fachwissen im Bereich Bibliothekswesen oder Bildung.“
Bereits jetzt ist klar, dass in den kommenden Jahren massive finanzielle Kürzungen anstehen werden. Amanda Jones, eine Schulbibliothekarin in Louisiana, warnte deswegen bereits: „Ohne diese Finanzierung werden die Schüler und Studenten in den ländlichsten Gegenden und diejenigen mit einem niedrigeren sozioökonomischen Status am meisten darunter leiden. Die Öffentlichkeit muss aufwachen, bevor unsere Bibliotheken verschwinden.“ Für queere Jugendliche im ländlichen Raum dürfte sich die Lage also weiter zuspitzen.