Augen zu bei US-Hassverbrechen US-Schulbezirke wollen ein Theaterstück über den Mord des schwulen Studenten Matthew Shepard verhindern
In einigen Teilen der USA scheint sich im Zuge des politischen Kulturkampfes auch eine schwulenfeindliche Stimmung erneut breit zu machen – der neuste Fall kommt aus Arizona. Der Schulbezirk sagte dort kurzerhand wenige Stunden vor der Premiere das Theaterstück „The Laramie Project“ in einer High School ab, das die Ermordung des 21-jährigen schwulen Matthew Shepard im Jahr 1998 thematisiert.
Aufregung 24 Jahre nach der Premiere
Eigentlich hatte die Schülertheatergruppe alles richtig gemacht, seit August arbeitete sie fleißig an dem Stück, vor Monaten hatten sie auch bereits die offizielle Erlaubnis der Schulverwaltung eingeholt und alle Eltern der jugendlichen Besetzung hatten schriftlich ebenso ihre Genehmigung erteilt. Dazu: Das Theaterstück selbst ist nicht neu, seit dem Jahr 2000 wird die Geschichte immer wieder auf zahlreichen Bühnen im ganzen Land erzählt, 2002 verfilmte HBO den Stoff mit zahlreichen Hollywood-Schauspielern wie Peter Fonda, Joshua Jackson, Christina Ricci oder Steve Buscemi.
Eine wahre Geschichte auf der Bühne
Grundlage des Theaterstücks ist ein Projekt des Regisseurs Moisés Kaufman, der mit seiner New York City Tectonic Theatergruppe kurz nach dem Mord an Matthew Shepard nach Laramie, Wyoming, fuhr und dort dutzende Einwohner interviewte. Er wollte ergründen, wie es zu der grausamen Tat hatte kommen können und wie die Einwohner jener Stadt, in der es passierte, darüber dachten.
Der Student Shepard war im Oktober 1998 von zwei jungen Männern ins Auto gelockt und daraufhin misshandelt und grausam zusammengeschlagen worden. Schlussendlich fesselten die beiden Täter Shepard an einen Weidezaun außerhalb von Laramie, wo er 18 Stunden später gefunden wurde. Der 21-Jährige fiel ins Koma und starb sechs Tage später im Krankenhaus. Der Fall sorgte für einen landesweiten Aufschrei. Shepards Eltern gründeten die Matthew Shepard Foundation, die sich seitdem gegen Mobbing und Anfeindungen von Homosexuellen einsetzt. Im Jahr 2009 verabschiedete der US-Kongress schlussendlich das Gesetz zur Verhinderung von Hassverbrechen, den Matthew Shepard and James Byrd, Jr. Hate Crimes Prevention Act.
Schutz der Kinder?
Kurzum, die Geschichte ist bis heute in den USA bekannt – nur der Schulbezirk in Arizona scheint davon bisher nicht sehr viel mitbekommen zu haben. Erst kurz vor der Premiere erklärten die Verantwortlichen, dass das Thema und die Sprache des Theaterstücks „zusätzliche Erklärungen und Ausschlussklauseln für die anwesenden Familien und Schüler“ bedürfe und sagten es kurzerhand ab. Konkreter wurde der Schulbezirk nicht. Im Stück sind acht junge Schauspieler in zwanzig Rollen zu sehen.
Nachdem die Entscheidung großen Wirbel verursachte, erklärten die Verantwortlichen schmallippig: „Viele unserer Schüler haben jüngere Geschwister, und wir müssen die Familien angemessen über den Inhalt des Stücks informieren, damit sie in Kenntnis der Sachlage entscheiden können, ob jüngere Familienmitglieder teilnehmen sollten.“ Schlussendlich knickte der Schulbezirk nach massivem Druck jetzt ein, am Freitag nun soll es doch zur Aufführung kommen.
Angst vor Zensur
Die schauspielernden Schüler haben trotzdem nach wie vor Angst davor, dass die Bezirksbeamten noch einmal kurz zuvor dazwischen funken werden oder versuchen, die zentrale Botschaft des Stücks zu zensieren. Ella Podolak vom Theaterclub der High School erklärte gegenüber Nachrichtenagentur KSAZ: „Werden sie uns wieder abweisen? Werden sie uns sagen, dass wir am Tag der Aufführung unsere Texte ändern müssen? Wenn man all das, was gesagt wurde, verändert, wird dann überhaupt noch klar, dass es ein Hassverbrechen war? Werden sie es also zensieren?“ Und Anaya Connors, eine Schülerin der High School, ergänzte: „Viele unserer Darsteller sind genau so wie Matthew Shepard. Es ist eine Chance, uns Gehör zu verschaffen und zu sagen: 'Wir sind so. Das sind wir.'“
Homophobie nimmt zu
Es ist dabei nicht das erste Mal, dass das Stück von einem Schulbezirk abgesetzt wurde. Immer wieder kam es landesweit zu solchen Vorfällen, zuletzt im Frühjahr dieses Jahres in Fort Worth, Texas. Auch hier wurde die Schulaufführung ohne Begründung gecancelt.
Dabei mehren sich die homophoben Fälle in letzter Zeit wohl wieder, wie die Mutter des ermordeten Studenten, Judy Shepard, Präsidentin der Matthew Shepard Foundation bestätigte: „Es bricht mir das Herz, wenn Menschen sich immer noch weigern zu sehen, wie wichtig dieses Werk ist. Ja, das Stück könnte einige Kinder erschrecken. Aber es könnte einige Kinder auch aufwecken. Und es könnte Kinder dazu bringen, etwas verändern zu wollen – all diese Dinge. Und sie haben die Macht, das zu tun!“