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Matthew Shepard LGBTI*-Verbände ziehen bitteres Resümee zur aktuellen Lage in den USA

ms - 17.10.2023 - 14:00 Uhr

Es war eines der weltweit meist beachteten Hassverbrechen gegen einen jungen Homosexuellen – die brutale und grausame Ermordung des 21-jährigen schwulen Studenten Matthew Shepard in Laramie (Wyoming). Shepard hatte im Oktober 1998 zwei junge Männer in einer Bar kennengelernt, die ihn unter Vorspiegelung falscher Tatsachen in ihr Auto lockten, brutal immer wieder misshandelten, zusammenschlugen, und ihn schlussendlich zum Sterben bei eisiger Kälte an einen Weidezaun außerhalb der Stadt gefesselt hatten. Er wurde 18 Stunden später von einem Radfahrer entdeckt, der ihn zunächst für eine Vogelscheuche hielt. Shepard fiel aufgrund seiner schweren Verletzungen ins Koma, sechs Tage später verstarb er im Kreis seiner Familie im Krankenhaus.

Hassverbrechen erstmals im weltweiten Fokus

Die Tat jährt sich in diesen Tagen zum 25sten Mal und sorgte damals erstmals in der Breite dafür, dass über Hassverbrechen gegenüber Homosexuellen diskutiert wurde. Nach dem Angriff auf Shepard wurde Laramie von Reportern aus den ganzen USA überrannt. An seiner Beerdigung nahmen auch Demonstranten der hasserfüllten Westboro Baptist Church aus Topeka (Kanada) teil, die Schilder mit extrem homophoben Parolen schwenkten.

Damit die Trauernden das nicht sehen mussten, kleideten sich Freunde von Shepard in weiße Kostüme mit großen Engelsflügeln, die die Hassprediger verdeckten – die Bilder gingen um die ganze Welt. Ein Jahr später schließlich wurden die beiden jungen Täter zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt.

Shepard wurde zum Gesicht gegen Hassverbrechen

Mit den Jahren folgten mehrere Dokumentationen und Verfilmungen. Shepards Eltern gründeten eine LGBTI*-Organisation (Matthew Shepard Foundation), die sich seitdem gegen Mobbing und Anfeindungen von Homosexuellen einsetzt. Shepard wurde schnell zum medialen Gesicht im Kampf gegen schwulenfeindliche Hass-Verbrechen und ist bis heute eines der bekanntesten Opfer.

Im Jahr 2009 verabschiedete der US-Kongress – auch dank der Bemühungen der Familie – das Gesetz zur Verhinderung von Hassverbrechen (Matthew Shepard and James Byrd, Jr. Hate Crimes Prevention Act), das die Untersuchung und Verfolgung von Hassverbrechen verbessern soll. In Wyoming selbst sowie in drei weiteren US-Bundesstaaten allerdings gibt es bis heute kein Gesetz gegen Hassverbrechen.

LGBTI*-Verbände zeigen sich enttäuscht

„Vor fünf Jahren, zum 20. Jahrestag der Ermordung von Matthew Shepard, gab ich zahllose Interviews, in denen ich die Fortschritte pries, die wir in den letzten 20 Jahren gemacht hatten, und meine Mitbürger in Wyoming ermahnte, den Schwung beizubehalten und uns über die Ziellinie zu bringen (…) Ich hatte das Gefühl, dass die Heilung in greifbarer Nähe war. Ich habe mich geirrt. In den letzten fünf Jahren ist der Staat im Bereich Gleichberechtigung zurückgerutscht und hat eine neue Form von Politik und Kultur angenommen, die ich kaum wiedererkenne“, so Sara Burlingame, Geschäftsführerin von Wyoming Equality.

Ähnlich bewertet das auch Kelley Robinson, Präsidentin der Human Rights Campaign: „Es ist herzzerreißend und macht wütend, zu wissen, dass 25 Jahre nach Matthews Tod LGTBQ+ Amerikaner unter einem Ausnahmezustand leben. Eine Rekordzahl von Anti-LGBTQ+-Gesetzen wurde in diesem Jahr unterzeichnet. Bibliotheken, Krankenhäuser und Cafés, in denen LGBTQ+-Menschen bedient und gefeiert werden, sind gewalttätigen Drohungen ausgesetzt. Politische Kommentatoren, lokale Abgeordnete und republikanische Präsidentschaftskandidaten verbreiten hasserfüllte Rhetorik. Es ist daher keine Überraschung, dass Hassverbrechen – wie das, das Matthew Shepard das Leben kostete – wieder auf dem Vormarsch sind!“

Und Cathy Renna, Kommunikationsdirektorin der National LGBTQ Task Force, ergänzt: „Tatsache ist, dass wir in einem unzulässigen Klima des Hasses leben. Wir haben während der Trump-Jahre an Boden verloren. Wir haben es mit einem Klima zu tun, das ziemlich beängstigend ist!“

Präsident Biden im Kampf gegen „Geißel des Hasses“

Auch Präsident Joe Biden meldete sich zum 25. Jahrestag des Todes von Matthew Shepard zu Wort und verurteilte die jüngste Zunahme von Drohungen und Gewalttaten gegen Lesben, Schwule und Bisexuelle in den USA. „Matthews tragischer und sinnloser Mord hat das Gewissen des amerikanischen Volkes erschüttert. Und seine mutigen Eltern, Judy und Dennis Shepard, haben die Erinnerung an Matthew in eine Bewegung verwandelt, die Millionen von Menschen anspornt, die Geißel des Hasses und der Gewalt gegen LGBTQI+ in Amerika zu bekämpfen. Heute, da Drohungen und Gewalt gegen die LGBTQI+-Gemeinschaft weiter zunehmen, ist unsere Arbeit noch lange nicht beendet. Kein Amerikaner sollte mit Hass oder Gewalt konfrontiert werden, nur weil er ein Mensch ist oder weil er jemanden liebt.“

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