Scharfe Kritik Hilfsorganisation IRC fordert mehr Einsatz von der Regierung und Außenministerin Baerbock
Das International Rescue Comittee, kurz IRC, zieht jetzt eine ernüchternde Bilanz bezüglich dem Einsatz der Bundesregierung in Afghanistan – die Ampel-Koalition müsse endlich ihrem Versprechen nachkommen, besonders gefährdeten Afghanen nach der Machtübernahme der Taliban vor inzwischen zwei Jahren unbürokratisch und schnell zu helfen. Besonders bedroht sind seitdem vor allem LGBTI*-Afghanen, systematisch machen die Taliban Jagd auf sie, sperren sie in speziellen Gefängnissen ein und foltern sie zu Tode.
Das Schweigen der Außenministerin
Ein Jahr lang schwieg das zuständige Außenministerium sowie auch Außenministerin Annalena Baerbock eisern, trotz mehrfacher Aufforderungen auch seitens diverser deutscher LGBTI*-Verbände wie dem Lesben- und Schwulenverband Deutschland. Dann endlich erklärte die Bundesregierung im Herbst letzten Jahres, sie wolle monatlich 1.000 Menschen aufnehmen, explizit auch LGBTI*-Personen. Geschehen ist seitdem wenig, zwischendurch wurde das bis heute höchst bürokratische Aufnahme-Verfahren sogar gänzlich erneut gestoppt, weil offenbar mehrere NGOs Afghanen für eine Ausreise vorschlugen, ohne zuvor überprüft zu haben, ob diese wirklich gefährdet sind.
Entwicklungen sind enttäuschend
Die internationale Hilfsorganisation IRC, gegründet 1933 auf Anregung von Albert Einstein, erklärte dazu jetzt: „Die aktuellen Entwicklungen in der humanitären Aufnahme sind enttäuschend: Das Bundesaufnahmeprogramm, das ab Implementierung vor zehn Monaten die Aufnahme von bis zu 1.000 Personen monatlich bis zum Ende der Legislaturperiode im September 2025 ankündigte, kann bis Ende Juni nur 229 positive Aufnahmeentscheidungen und keine einzige Einreise nach Deutschland vorweisen.“
Und weiter: „Das Programm steht auf schwachem politischem Fundament, was zuletzt auch deutlich wurde, als die Erteilung von humanitären Aufnahmevisa nach vereinzelten Missbrauchsvorwürfen über mehrere Monate hinweg ausgesetzt wurde und erst kürzlich mit verschärften Sicherheitsmaßnahmen wieder anlief.“
Deutschland bleibe hinter politischen Zusagen zurück
Gerade für homosexuelle sowie queere Afghanen wird die Lage vor Ort dabei immer fataler – die Taliban führen in immer mehr Dörfern Razzien durch und suchen systematisch nach ihnen. Gerade ein Handvoll von LGBTI*-Menschen konnten bisher mit Hilfe von deutschen NGOs wie dem Bremer Verein Rat und Tat aus dem Land flüchten und sitzen derzeit zumeist in Pakistan fest. Deutschland habe anfangs mit seinen Ankündigungen eine Vorreiterrolle eingenommen, dies verspiele die Bundesrepublik derzeit immer mehr – an vielen Stellen bleibe die Ampel-Koalition „hinter den politischen Zusagen“ zurück, beispielsweise auch bei einem angekündigten Resettlement-Programm für afghanische Flüchtlinge in Pakistan.
„Derzeit warten 14.000 Personen mit Aufnahmezusage in Afghanistan, Pakistan oder Iran auf ihr Visum und die Möglichkeit, nach Deutschland einzureisen. Da nur noch an der deutschen Botschaft in Islamabad die Sicherheitsüberprüfungen und damit auch die Visumsverfahren durchgeführt werden, wird die Botschaft in Islamabad zunehmend zum Nadelöhr, obwohl sie bereits seit Jahren - insbesondere aufgrund langwieriger Familiennachzugsverfahren - chronisch überlastet ist“, so die Hilfsorganisation weiter.
Politische Stellschrauben müssten korrigiert werden
Das IRC fordert daher die Bundesregierung dazu auf, dringend den Ankündigungen im Koalitionsvertrag endlich nachzukommen und das Bundesaufnahmeprogramm vollumfänglich und unbürokratisch umzusetzen. Corina Pfitzner, Leiterin von IRC Deutschland: „Die Bundesregierung sollte alles daransetzen, ihrer humanitären Verantwortung nachzukommen – und besonders gefährdeten Afghan*innen in Deutschland den notwendigen Schutz und Sicherheit zu geben. Fehlende Ressourcen für das Bundesaufnahmeprogramm, eine überlastete deutsche Botschaft in Islamabad und bis dato zu komplizierte und langwierige Aufnahme- und Resettlementverfahren werden der Erfüllung dieser Verantwortung jedoch weiter im Weg stehen, wenn die politischen Stellschrauben nicht zeitnah korrigiert werden.’’ Eine Antwort seitens des Auswärtigen Amtes oder von Außenministerin Baerbock steht abermals aus.