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Einsatz gegen Chemsex
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Einsatz gegen Chemsex Das Sub in München will Konsumenten direkt ansprechen – und verstärkt Hilfe anbieten

ms - 02.04.2025 - 14:00 Uhr

Mit einer neuen Kampagne will das Schwul-Queere Zentrum Sub in München gegen Chemsex in der sexpositiven Community vorgehen und unterbreitet dabei ein umfassendes Bratungsangebot.

Direkte Ansprache mit Icons 

Mittels Illustrationen sollen Konsumenten der illegalen Substanzen dabei direkt angesprochen und abgeholt werden: Affe, Rakete, Schneeflocke. Für Nicht-Eingeweihte erschließt sich die Symbolik nicht, Chemsex-Nutzer wissen indes sofort, dass die Icons immer wieder gerne in Dating-Apps und auf den sozialen Medien auftauchen. „Der Affe zum Beispiel steht für die Droge Monkey Dust. Schwule Männer teilen das Emoji häufig auf Dating-Portalen wie Grindr, um klar zu machen: Hier kriegst du das oder: Ich mach's mit! Die Rakete verspricht einen ´guten Flug´ mit der entsprechenden Chemikalie. Und die Schneeflocke steht unter anderem für ´Crystal Meth´“, so der Pressereferent des Sub, Conrad Breyer, der überdies betont: „Natürlich sollen die Bilder der Kampagne auch ein bisschen provozieren, um Aufmerksamkeit zu erregen. Es geht um den Konsum an sich, die psychosozialen Folgen, auch die medizinischen Konsequenzen.“

Konsumenten sind Schwule und trans* Frauen

Das Beratungszentrum betont dabei, dass Sex unter Drogeneinfluss vor allem gerne unter schwulen Männern ausgelebt wird, aber inzwischen durchaus auch vermehrt trans* Frauen zu den Substanzen greifen – dazu zählen in erster Linie derzeit Crystal Meth, Monkey Dust oder GBL/GHB. Das Ziel ist dabei stets gleich: Das sexuelle Erlebnis soll intensiviert werden, außerdem sollen Hemmungen abgebaut werden, sodass auch schüchterne Menschen leichter ins sexuelle Geschehen einsteigen können. Breyer betont dazu weiter: „Wer Drogen nimmt, wächst erstmal über sich hinaus, fühlt sich stark, selbstbewusst und schön. Scham- und Schuldgefühle kommen oft erst später; auch körperliche Probleme können sich einstellen. Langzeit-User*innen klagen etwa häufig über Herzrhythmusstörungen.“

Jenseits der Scham, jenseits aller Grenzen

Was anfangs mancherorts vielleicht sogar verlockend klingen mag, der Abbau von Schamgefühlen, kann allerdings schnell zu weit gehen, wie das Sub weiter betont: „Chems wie Methamphetamin/Tina/T, Mephedron, GHB/GBL senken kurzfristig Hemmungen, lassen dich anfangs offener oder mutiger fühlen. Doch dabei verschwimmen schnell die Grenzen: Du traust dich, Praktiken auszuprobieren, die dir nüchtern nicht in den Sinn kommen würden. Chems können das Gefühl vortäuschen, dass du nur unter dem Einfluss du selbst sein kannst. In Wirklichkeit aber überschreitest du Grenzen – deine eigenen und die anderer. Das Risiko des Kontrollverlusts und das Bedürfnis, immer öfter nach diesem Gefühl zu erleben, steigen – und mit ihnen die Gefahr der Abhängigkeit“, so Breyer. Umso wichtiger sei es daher, über Chemsex und den Gebrauch in der Community offen, ehrlich und ohne verbale Scheuklappen zu reden. 

Keine Vorverurteilung, reine Information 

„Wir haben eine ganze Menge dieser Piktogramme mit den entsprechenden Texten in unseren Kanälen gestreut, um die Leute, die es betrifft, über unser Beratungsangebot zu informieren", betont so auch Michael Plaß von der Chemsex-Beratung im Sub. Plaß entwickelte die Kampagne zusammen mit seinem Kollegen Robert Seiler. „Wir informieren lediglich über unsere Beratung. Wer sie nutzen will, ist willkommen. Wir beraten bei Konsum und dessen Folgen, ohne dafür zu werben oder es zu verurteilen", so Plaß weiter. 

Moralische Vorverurteilungen sind hier fehl am Platz. Das Sub setzt dabei auf Langfristigkeit, die Kampagne ist in mehrere Phasen aufgeteilt. Nebst der direkten Ansprache über die bekannten digitalen Kanäle von Chemsex-Freunden soll es auch anderweitig Hilfe für Betroffene geben – geplant ist beispielsweise auch die Bereitstellung von sterilisiertem Besteck für Chemsex-User, damit diese zumindest ohne zusätzliches Risiko Drogen konsumieren können, insofern sich die Einnahme nicht verhindern lässt.  

Offene und ehrliche Diskussion 

„Die Chemsex-Beratung ist ein professionelles Angebot der Suchthilfe für Menschen, die Chemsex haben oder hatten, ihre Angehörigen, Freund*innen und auch Fachkräfte. Das Sub berät, begleitet und hilft Menschen, die dazu Fragen haben, vorurteilsfrei, anonym und kostenlos. Schwule/queere Sexualität und Substanzgebrauch sind für sich genommen schon Themen, die für viele problematisch sind. Das Sub will dagegen arbeiten und Bedürfnisse, Nutzen, Risiken und Folgen von Chemsex offen diskutieren und User*innen ein Umfeld bieten, in dem sie ihren eigenen Umgang damit klären können“, so Breyer. Seit 1986 setzt sich das Sub für die Belange von schwulen und inzwischen auch bisexuellen sowie queeren Männer als auch von trans* Menschen ein. 

Chemsex in der Community

Genaue Zahlen über Chemsex in der deutschen Community gibt es bis heute nicht, zuletzt gaben 15 Prozent der schwulen und bisexuellen Männer in einer EMIS-Umfrage aus Europa an, Chemsex gehabt zu haben, rund zehn Prozent praktizieren dies regelmäßig. Eine Befragung von Chemsex-Nutzern im Alter von 22 bis 75 Jahren, durchgeführt in den Niederlanden von der Universität Utrecht, bestätigte, dass der Rausch beim Sex schnell zur Sucht wird. Daneben spielen auch soziale Faktoren eine immer größere Rolle, sodass ein Ausstieg aus der Szene oftmals als Verrat der Freundschaft interpretiert wird. 

Ein großes Problem beim Sex unter Drogeneinfluss bleibt neben den direkten Folgen des Substanz-Konsums auch die erhebliche Gefahr einer lebensbedrohlichen Überdosierung. Bei einer Opioid-Einnahme (Heroin, Fentanyl, Methadon) kann der Nasenspray Naloxon dabei zum Lebensretter bei Überdosierungen werden. Aus diesem Grund hat der zuständige Sachverständigenausschuss des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) im Februar dieses Jahres einstimmig empfohlen, dass der Nasenspray nicht mehr verschreibungspflichtig sein sollte. Das Medikament könnte dann einfach direkt bei allen Apotheken erworben werden. Eine mögliche Umsetzung wird allerdings frühestens im Sommer dieses Jahres erwartet. 

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