Ein "ekelhaftes" Jahrbuch Der US-Kulturkampf wird immer absurder - und trifft Jugendliche am meisten
Kommentar
Einmal mehr erreichte uns eine neue Nachricht aus Absurdistan – besser bekannt als Sunshine State Florida. Mehrere „besorgte“ Mütter und Väter erzwangen dort nun den Nachdruck des Jahrbuches einer Schule. Warum? Auf zwei Seiten des 256 Seiten umfassenden Werks ging es um LGBTI*-Themen. Das darf natürlich nicht sein – schon gar nicht in jenem US-Bundesstaat, der als erstes das „Don´t Say Gay“-Gesetz an allen Schulen durchgesetzt hat.
„Ekelhafte“ Themen in einem Schul-Jahrbuch?
Der „Skandal“ ereignete sich dabei an der Lyman High School in Seminole County. Die „besorgten“ Eltern erklärten gegenüber dem zuständigen Schuldirektorat, dass es „ekelhafte und falsche“ Aspekte im Jahrbuch gegeben habe, die Rede war von den zwei Seiten mit LGBTI*-Inhalten. Zu sehen sind Bilder einiger LGBTI*-Schüler mit kurzen Selbstdefinitionen und Zitaten, im Hintergrund sieht man die Regenbogenfahne. Zu den „ekelhaften“ Aussagen der Schüler gehören dann Statements wie: „Ich denke, es ist wichtig, dass du anderen hilfst, dich zu verstehen. Du solltest ihnen zeigen, wer du bist, was du fühlst und als was du dich identifizierst, denn das ist nicht falsch. Du lebst einfach nur dein Leben.“
Perverse Attraktionen in Textform
Die Aufregung ist natürlich verständlich, denn solche Aussagen grenzen mit Sicherheit fast an Pornografie, wenn nicht an Bigotterie. Mit Sicherheit aber an irgendeiner anderen Absonderlichkeit, die auf „ie“ endet. Demokratie, zum Beispiel. Wer kann sowas wollen? Die Schule müsse nach Angaben der „besorgten“ Eltern also die Kosten für das Jahrbuch zurückerstatten und sofort eine Neuauflage drucken – ohne die ganzen „perversen sexuellen Attraktionen.“
Zudem sei dies keine neutrale Berichterstattung mehr, merkte noch ein ehemaliger Lehrer an, und die Schule sei doch zu Neutralität verpflichtet. Da hilft es auch wenig, dass Sara Ward, die Chefredakteurin des Jahrbuchs, noch versuchte zu erklären: „Wir hatten schon immer einen LGBTQ+-Teil im Buch. Unsere Aufgabe als Journalisten und Mitglieder der Jahrbuchredaktion ist es, über die gesamte Schule zu berichten, und das schließt alle Gemeinschaften ein, auch die LGBTQ+-Gemeinschaft.“
Und was macht die Schulleitung?
Und die Schule? Die stellte sich natürlich hinter ihre Schulredaktion und… oh, ich höre gerade, nein, doch nicht. Die Schulleitung erklärte kleinlaut, der Fall werde weiter oben auf Bezirksebene jetzt geprüft, derweil alle Schüler und Eltern die volle Rückerstattung des Kaufpreises bekommen. Gerne können sie dann ihr Exemplar auch gegen ein neu gedrucktes Jahrbuch umtauschen, in dem die zwei „perversen“ Seiten nicht mehr enthalten sein werden.
Eine ehemalige Jahrbuchbetreuerin schrieb dazu in Richtung der „besorgten“ Eltern: „Ihr könnt die queere Gemeinschaft nicht weiter auslöschen, weder an der Lyman High School noch sonst wo! Hört endlich auf, so feige zu sein und steht für alle eure Kinder und Schüler ein! Und macht euch klar: Nach Angaben des Trevor-Projekts senkt ein einziger akzeptierender Erwachsener das Selbstmordrisiko für LGBTQ+-Jugendliche um 40 Prozent!“ 40 Prozent? Das ist Mathematik, oder? Es kann nicht mehr lange dauern, bis die „besorgten“ Eltern erkennen, wie subversiv und gefährlich die Welt der Zahlen doch ist! Also besser gleich: Lasst und Mathe verbieten!