Gewaltanstieg in Berlin Zumeist sind Schwule Opfer von Angriffen in der Hauptstadt
Ähnlich wie die jüngsten Zahlen des Bundesinnenministeriums für ganz Deutschland belegt nun auch die Berliner Beratungsstelle Maneo ebenso einen erneuten Anstieg von Gewalttaten gegenüber LGBTI*-Menschen in der Hauptstadt. Hauptsächlich davon betroffen sind schwule und bisexuelle Männer. Insgesamt verzeichnete Maneo im vergangenen Jahr 760 Fälle, wobei die tatsächlichen Zahlen deutlich höher liegen dürften: „Nach wie vor schätzen wir das Dunkelfeld nicht angezeigter Delikte gegen LSBTIQ+ in Berlin sehr hoch ein. Wir gehen von einem Anteil von 80-90% aus“, so Maneo weiter. Knapp die Hälfte (48%) der festgehaltenen Angriffe wurden der Polizei so auch erst gar nicht gemeldet.
Gewalterfahrungen bei Schwulen bleiben Schwerpunkt
Wie in den vergangenen Jahren auch, geschah der Großteil der Vorfälle in der Öffentlichkeit, beispielsweise im Nahverkehr oder auf der Straße. Dabei handelte es sich zumeist um Beleidigungen, Körperverletzungen und Bedrohungen sowie Nötigung. Insgesamt führte Maneo im Jahr 2022 auch 2.074 Beratungsgespräche durch, der Großteil davon (2.014) mit schwulen oder bisexuellen Männern. Auch hier verzeichnet der Beratungsverein seit über zehn Jahren einen stetigen Anstieg.
Zwei Kernthemen traten dabei 2022 besonders heraus: Sexuelle Gewalterfahrungen an Schwulen und männlichen Bisexuellen, beispielsweise im Rahmen von häuslicher Gewalt, sexuellen Beziehungen (One-Night-Stands, Blind Dates, Sexwork), in Abhängigkeitsverhältnissen, im Rahmen von Arzt-Patienten-
Beziehungen oder auch in Form von Übergriffen in Verbindung mit Diebstahlsdelikten. Der andere Schwerpunkt waren angedrohte Zwangsheiraten und Gewalt im Namen der Familienehre.
Homophobie bleibt tiefverankertes Problem
Maneo hält dabei im aktuellen Bericht weiter fest, dass der Verein die Homophobie und homophob motivierte Gewalttaten nach wie vor für „ein tiefverankertes gesellschaftliches Problem“ hält, das als eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung angenommen werden muss. Auffällig sei dabei auch, dass im Jahr 2022 besonders viele Angriffe auf Bars, Cafés und Einrichtungen zu verzeichnen gewesen waren, die die Regenbogenfahne als Zugehörigkeit zur Community gezeigt hatten.
Kritik am Verhalten der Berliner Behörden
Kritik übt der Verein zudem abermals an der Entscheidung seitens der Stadt Berlin, seit 2021 keine anonymisierten Eckinformationen mehr zu Fällen LGBTI*-bezogener Hassgewalt von der Berliner Polizei zu erhalten. Hintergrund ist eine Verfügung der Generalstaatsanwaltschaft, die eine Weitergabe anonymisierter Eckinformationen aus Datenschutzgründen untersagt. „Damit endete ein 25 Jahre lang funktionierendes Austauschformat, mit dem wir zu statistischen Zwecken wenige anonymisierte Informationen von der Berliner Polizei erhalten hatten, dies zum Zwecke der Erstellung eines Lagebildes, mit dem wir Zahlen aus dem Hellfeld (angezeigte Fälle) mit Zahlen aus dem Dunkelfeld (Fälle, die uns gemeldet, aber nicht angezeigt wurden) erstellen konnten, um Aufklärungs- und Gewaltpräventionsarbeit zu verbessern“, so Maneo.