Parlament gegen Premierminister Kurti Drei Religionen verhindern gesellschaftlichen Wandel
Europa rückt enger zusammen - gerade auch mit Blick auf die aktuelle Kriegssituation in der Ukraine. Und so verstärkt sich in diesen Tagen auch der Wunsch jener Länder, Mitglied in der Europäischen Union zu werden, die dies bis jetzt noch nicht sind. Darunter auch der Kosovo. Die Republik mit etwas weniger als zwei Millionen Einwohnern gehörte einst zum ehemaligen Jugoslawien. Der Europäische Rat hat 2003 und noch einmal 2021 bekräftigt, dass für den Kosovo eine Perspektive für einen EU-Beitritt gegeben ist. Premierminister Albin Kurti, einer der populärsten Persönlichkeiten und liberaler Vordenker des Landes, versucht daher alles, um die Beitrittschancen zu erhöhen – unter anderem, in dem er queere Lebensweisen fördern und gleichstellen will.
Kurti, der einst selbst Polithäftling und politischer Aktivist war, wollte durch eine Reform jetzt erreichen, dass die Regierung des Landes offiziell gleichgeschlechtliche Partnerschaften anerkennt. Eine kleine Revolution, denn damit wäre das Kosovo das erste Land mit einer muslimischen Mehrheit in der Bevölkerung, das die „Ehe für alle“ rechtlich verankern würde. Der Konjunktiv bleibt aber leider bestehen, denn die Abgeordneten der Regierung lehnten dies nun mehrheitlich ab – und das mit einer sehr deutlichen Stimmenverteilung. Von den 120 Parlamentsmitgliedern waren nur 28 für die Einführung eines neuen Partnerschaftsgesetzes. Besonders bitter dabei: Nicht einmal alle Kollegen aus der eigenen Partei stimmten für Kurtis Antrag.
Wenig verwunderlich gerade für ein muslimisch geprägtes Land waren dann auch religiöse Bedenken und die Angst vor dem Verlust der traditionellen Familienwerte die ausschlaggebenden Punkte. Einige Hardliner sprachen während der Sitzung des Parlaments sogar von einem „moralischen Zerfall“, der mit der gleichgeschlechtlichen Ehe Einzug in den Kosovo halten würde. Kurti selbst zeigte sich enttäuscht, ähnlich wie LGBTI*-Aktivisten, die spontan vor dem Parlamentsgebäude demonstrierten. Auch internationale Organisationen wie Human Rights Watch bedauerten die Entscheidung und ermutigten Kurti, nicht aufzugeben und weiterzukämpfen.
Die Stimmenverteilung zeichnet dabei leider durchaus ein sehr realistisches Bild von der Einstellung der gesamten Bevölkerung des Landes wieder – mehrheitlich werden queere Lebensweisen abgelehnt oder tabuisiert. Ausschlaggebend ist dabei der starke Einfluss dreier Religionen; neben dem sunnitischen Islam sind dies auch die serbisch-orthodoxe sowie die römisch-katholische Kirche. Auch ein Antidiskriminierungsgesetz aus dem Jahr 2004 konnte an dieser Gesinnung wenig ändern. Homosexualität und gleichgeschlechtlicher Sex sind im Kosovo allerdings ab dem 16. Lebensjahr legal.