Flucht nach Argentinien Tausende Russen finden in Lateinamerika eine neue Heimat
Die Lebensrealität für LGBTIQ+-Menschen in Russland wird immer gefährlicher, immer mehr Homosexuelle und queere Personen sehen nach dem Anti-Homosexuellen-Gesetz, der Extremismus-Einstufung der LGBTIQ+-Community und der neusten Zensur im Internet und bei App-Anbietern keine Zukunft mehr für sich im Land. Seit 2023 haben die Zahlen von russischen Flüchtlingen stark zugenommen, viele von ihnen zog es bisher nach Spanien. Nun versuchen offenbar immer mehr von ihnen auch in Argentinien ihr Glück zu finden.
Viele Rechte für queere Einwanderer
Nach Recherche der New York Times nahm die Zahl der russischen Emigranten im Land in den letzten Monaten stark zu. Zusammen mit weiteren Russen, die aus anderen Gründen ihr Land verlassen mussten, stieg die Zahl seit Beginn des Ukraine-Krieges auf rund 120.000 Personen an. Argentinien hat dabei eine lange Geschichte als Einwanderungsland, im 19. und 20. Jahrhundert kamen viele osteuropäische Juden ins Land, in den 1990er eine erste Welle von Russen, die die zusammenbrechende Sowjetunion verließen.
Für LGBTIQ+-Menschen ist das Land besonders reizvoll, weil die Regierung mit mehreren Gesetzen den Schutz von queeren Personen gestärkt hat. Argentinien war auch das erste Land Lateinamerikas, das die gleichgeschlechtliche Ehe und die Selbstbestimmung des Geschlechts eingeführt hat. Zudem gibt es eine Besonderheit in der argentinischen Verfassung – darin wurde bereits 1853 festgehalten, dass „alle Menschen auf der Welt, die auf argentinischem Boden leben wollen, willkommen sind.“ Gegenüber der New York Times betont einer der geflüchteten Russen, der schwule, 27-jährige Giordani Taldyki: „Die Rechte von Einwanderern sind hier in der Verfassung verankert. Ich dachte mir: ‚Okay, das gefällt mir wirklich gut.‘“
Neues Leben trotz Probleme
Mariano Ruiz, Direktor der argentinischen LGBTIQ+-Asylorganisation im Rahmen des Human Rights Advocates Programms, bestätigt diese Entwicklung – in den letzten Monaten seien über 1.800 queere Menschen ins Land gekommen, hauptsächlich dabei schwule Männer und trans* Personen. Einmal angekommen, würden alle die große Freiheit, die neue Lebensqualität und die Chance schätzen, endlich frei und offen leben zu dürfen.
Allerdings ist nicht alles eitel Sonnenschein, viele LGBTIQ+-Argentinier blicken auch mit Sorge auf die Politik von Präsident Javier Milei, zudem haben die Fälle von Hasskriminalität im Land zuletzt drastisch zugenommen, allein im ersten Halbjahr 2025 kam es zu einem Anstieg von rund 70 Prozent, insgesamt 17 homosexuelle und queere Menschen starben durch Morde wie auch durch Suizide aufgrund von massiven Anfeindungen. Die Nationale Beobachtungsstelle spricht von einer „besonders brutalen Ausprägung von Hass“, Brennpunkt ist dabei Buenos Aires. Es wirft kein gutes Licht auf die Lebensrealität in Russland, wenn Russen das Leben als LGBTIQ+-Person in Argentinien trotzdem als große Befreiung wahrnehmen.