Kampf um Gleichberechtigung Schwule Inder dürfen bis heute nicht Blut spenden – dagegen regt sich jetzt massiver Widerstand
Die schwul-lesbische Community in Indien kämpft an mehreren Fronten derzeit für mehr Gleichberechtigung und hofft, dass nach den diesjährigen Neuwahlen im Land jetzt die Zeit reif ist, maßgebliche Reformen anzustoßen. Zum einen fordern zehntausende Homosexuelle und ihre Unterstützer aktuell die Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe, zum anderen wird auch beim Thema Blutspende die bestehende Diskriminierung nun immer lautstarker kritisiert.
Krise bei der Blutspende
Obwohl homosexueller Sex seit 2018 offiziell legal im Land ist, besteht das jahrzehntealte Verbot zur Blutspende für schwule Männer bis heute. In letzter Zeit häuften sich die Fälle, in denen Angehörige von homosexuellen Männern dringend einer Blutspende bedurften, diese aber von ihren schwulen Verwandten aufgrund der Gesetzgebung nicht annehmen konnten – das spitzt die sowieso schon schwierige Versorgungslage mit Blutspenden im Land weiter zu.
Laut einer Studie von Public Library of Science fehlen im Land jährlich rund eine Million Blutkonserven. Mehrfach starben Angehörige deswegen bereits aufgrund fehlender Blutspenden. Würden homosexuelle Menschen zur Blutspende zugelassen werden, könnte dies die Ausgangslage dramatisch verbessern – aktuell leben nach weltweiten Schätzungen rund 135 Millionen LGBTI*-Menschen in Indien, der Großteil davon sind homo- und bisexuelle Personen.
Klage vor dem Obersten Gerichtshof
Der indische Schriftsteller und Schwulenaktivist Sharif Ragnerka (55) hat deswegen jetzt vor dem Obersten Gerichtshof Indiens eine Petition gegen das Verbot von Blutspenden eingereicht. Ähnlich wie auch in Deutschland und vielen anderen Ländern weltweit waren die Gesetze nach dem Aufkommen von HIV eingeführt worden – schwule Männer galten als gefährliche Hochrisikogruppe. Die Realität im Umgang mit HIV hat sich seitdem allerdings maßgeblich verändert, das Gesetz indes besteht bis heute.
Ragnerkas Anwälte erklären nun in der Klageschrift, dass die bestehenden Blutspende-Richtlinien „in hohem Maße vorurteilsbehaftet und anmaßend“ sind und Grundrechte wie „Gleichheit, Würde und Leben“ gerade von homosexuellen Männern verletzen würde.
Das Oberste Gericht hat daraufhin jetzt das indische Parlament erneut aufgefordert, sich zu der Klage zu erklären. Die alte Regierung hatte nach ähnlich gelagerten Klagen in den vergangenen Jahren noch betont, dass schwule Männer ein bis zu dreizehnmal höheres Risiko haben, sich mit HIV zu infizieren, als die allgemeine Bevölkerung. „Die Politik der Regierung zielt darauf ab, das Risiko zu mindern, ohne es moralisch zu bewerten“, sagte so zuletzt 2021 Dr. Joy Mammen, eine Expertin für Bluttransfusionen.
Gesundheitssystem nicht reif für Veränderung?
Zudem erklärten Fachleute der Regierung nun auch, dass das Gesundheitssystem des Landes für eine solche Veränderung schlicht noch nicht reif genug sei, so verfügten beispielsweise viele Blutbanken bis heute nicht über fortschrittliche Bluttesttechnologien wie zum Beispiel Nukleinsäuretests. Das Ziel der Klage wäre eine Neuregelung ähnlich wie in Deutschland, bei dem allein das Risikoverhalten der Spender ausschlaggebend ist, nicht mehr ihre Sexualität. Das finale Ergebnis ist noch unklar, fest steht bisher nur: Der Kampf um Gleichberechtigung im Land geht an mehreren Fronten weiter.