Vandalismus in Zürich Legitimation von LGBTI*-Feindlichkeit auf dem Vormarsch
In Zürich zeigt sich die örtliche LGBTI*-Community in diesen Tagen besorgt, denn LGBTI*-feindliche Aufkleber finden sich an vielen großen Plätzen in der Innenstadt. Die Sticker kleben auf Bushaltestellen, Laternenmasten oder Hauswänden – und die Vielzahl der Aufkleber bereitet Sorgen. Zürich wird immer mehr zum Zentrum von LGBTI*-feindlichen und homophoben Tendenzen, binnen eines Jahres verdoppelten sich auch die Fälle von Hasskriminalität.
Stimmungsmache in der Innenstadt
Offizielle Zahlen sind schwierig, zum einen, weil diese nach wie vor von den Behörden, der Polizei und den einzelnen Kantonen nicht landesweit korrekt erfasst oder ausgewertet werden, zum anderen aber auch, weil rund 90 Prozent der Angriffe gar nicht erst angezeigt werden (EU-Grundwerteagentur).
Das Auftauchen von vielen hasserfüllten Aufklebern, die sich klar gegen LGBTI*-Menschen richten, wird daher nicht nur als Bagatelle oder leichte Form von Vandalismus abgetan, sondern reiht sich ein in eine Entwicklung, die den LGBTI*-Verbänden in der Schweiz Kopfzerbrechen bereitet. Auf den jüngsten Stickern ist eine „klassisch heterosexuelle“ Familie zu sehen, über sich ein aufgespannter Regenschirm, der sie vor den herabtropfenden Regenbogenfarben bewahrt.
Wegschauen als Volkssport?
Ein weiteres Problem: Das Hinnehmen solcher Aussagen im öffentlichen Raum kann dazu beitragen, Hetze und schlussendlich auch Gewalt gegenüber LGBTI*-Menschen ein Stück weit noch mehr zu legitimieren. Die Schweizer Beratungsstelle LGBTIQ-Helpline betont hier, dass nach der erstmals erfolgten Opfererfassung im Bereich Hate Crime 2022 insgesamt rund 30 Prozent der Homosexuellen in der Schweiz zu Opfern eines Hassverbrechens geworden sind.
Die Gefahr ist groß, dass dieser Prozentsatz inzwischen noch weiter zugenommen hat – dazu kommt, dass solche Angriffe auf LGBTI*-Menschen oftmals immer noch bei den Behörden bagatellisiert werden. Jedes vierte Opfer, das eine Anzeige erstatten wollte, erlebte auf der Polizeistation entweder Ablehnung und Herablassung (11%) oder direkt Unwissenheit (13%) über die Materie.
Aufruf zu physischer Gewalt
Die Angriffe haben es dabei in sich, in jedem fünften registrierten Fall (21%) erlebten die Opfer körperliche Gewalt, die LGBTIQ-Helpline verzeichnete eine ganz Bandbreite von Verletzungen: Knochenbrüche, Blutergüsse, Platzwunden und auch sexualisierte Gewalt. 70 Prozent der Anfeindungen sind dann verbaler Natur.
Der Großteil der Attacken (56%) geschieht im öffentlichen Raum, die größte Opfergruppe bis heute sind junge schwule Männer unter 30 Jahren. Das Expertenteam nennt die Vorfälle „erschreckend“ und pocht einmal mehr darauf, einen landesweiten Aktionsplan gegen Hasskriminalität endlich umzusetzen. In dieser Gemengelage sind hasserfüllte Aufkleber daher mehr als nur ein „Kavaliersdelikt“, sie sind auch ein Aufruf, Hass in physische Gewalt umzuwandeln. Immer mehr sehen dabei aktuell wohl einfach weg, während man sich die Frage stellt: Wie viele Personen fühlen sich davon inzwischen motiviert, selbst gewalttätig zu werden?