Urteil über schwulen Sex-Blog Darf ein schwuler Lehrer ein Sex-Tagebuch online führen? Der Streit aus Polen landete jetzt vor dem Europäischen Gerichtshof
Ein besonderer Rechtsfall hat jetzt vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) ein Ende gefunden: Die Richter erklärten, dass die polnischen Behörden zu Unrecht einen schwulen Lehrer entlassen hatten. Dieser hatte in einem Blog für erwachsene, schwule Männer über sexuell eindeutige Inhalte geschrieben.
Kündigung war unverhältnismäßig
Der Fall sorgte international für Aufsehen, weil er grundsätzliche Aspekte von Meinungsfreiheit sowie die Freiheit der Kunst berührte und mehrere queere Organisationen darin überdies einen klaren Fall von homosexueller Diskriminierung sahen. Dieser Auffassung schlossen sich größtenteils die Richter final an, Polen habe gegen Artikel 10 (Meinungsfreiheit) der Europäischen Menschenrechtskonvention verstoßen. Das landesweite Berufsverbot beziehungsweise die Kündigung seien daher „unverhältnismäßig“ gewesen.
Der Sekundarschullehrer hatte zudem unter Pseudonym ein illustriertes Sex-Tagebuch online geführt, war also für seine Schüler nicht zu erkennen. Die Behörden hatten trotzdem die Auffassung vertreten, der Lehrer verstoße gegen die „gesellschaftlichen Sitten“ des Landes, zudem zeuge seine Vorhalten von einer „mangelnden Moral“ und stellte eine „Bedrohung für die ethische Erziehung von Schülern“ dar. Auch dem widersprachen die Richter in ihrem Urteil, es gebe keinerlei Hinweise darauf, dass die Bloggertätigkeit den Schutz der Moral von Minderjährigen gefährden würde.
Vorurteile gegenüber der Community
In seinem Kampf für Gerechtigkeit war der Lehrer von der ILGA Europe, der KPH (Kampagne gegen Homophobie) sowie der PSAL (Polnische Gesellschaft für Antidiskriminierungsrecht) unterstützt worden. Das Dreierbündnis hatte vor Gericht insbesondere betont, dass es in Polen trotz einer neuen, inzwischen LGBTIQ+-freundlicheren Regierung immer noch viele Vorurteile gegenüber der Community gibt.
Anwältin Annamaria Linczowska von der KPH erklärte außerdem: „Der Fall selbst war ein anschauliches Beispiel für die Diskriminierung von LGBTIQ+-Personen in Polen zu jener Zeit. Mit einem sehr schwerwiegenden Mittel – der Entlassung des Lehrers – griffen die Schule und später die Kommissionen in die Redefreiheit des Lehrers ein, in sein Recht, sich in der Öffentlichkeit über gleichgeschlechtliche Beziehungen zu äußern. Der Fall veranschaulicht die Hindernisse und die Diskriminierung, denen sich LGBTIQ+-Menschen am Arbeitsplatz und im Bildungswesen in Polen gegenübersehen.“ Die Organisation geht zudem davon aus, dass der Lehrer gerade auch aufgrund seiner Homosexualität so stark von den Behörden attackiert worden ist.