Premiere in Italien Ein Weinberg von und für die LGBTIQ+-Community
In Italien wird in diesen Tagen der erste „queere Weinberg“ des Landes gefeiert. Im Herzen des Monferrato im Piemont ging das Projekt bereits 2022 an den Start und wurde vielerorts anfangs belächelt – nach gut drei Jahren zeigt sich jetzt, dass der landwirtschaftliche Betrieb unter der Leitung einzig von Frauen und LGBTIQ+-Personen tatsächlich erfolgreich ist. Mit dieser frohen Botschaft richtete sich die Einrichtung namens Gringhigna nun an die Öffentlichkeit – und stößt noch immer nicht überall auf Nächstenliebe.
Ein Weinberg unter queerer Leitung?
Ein Weinberg in Frauenhand? Unter der Leitung von Schwulen, Lesben oder queeren Menschen? In so manchem patriarchisch geprägten Konkurrenz-Betrieb ist eine solche Vorstellung noch immer undenkbar, ja, fast gleichzusetzen mit Gotteslästerung. Hier brauche es den allwissenden Herren des Landes, einen Winzer, der eine siebten Sinn für die besondere Traube habe. Dass es auch anders geht, zeigt nun das neue Projekt.
Gegründet wurde das Projekt von Roberta Bruno (32), die nach einer Karriere in der Marketing-Branche mit dem Weinberg zu ihren familiären Wurzeln zurückgekehrt ist. Die Großeltern haben hier in Strevi in der Provinz Alessandria einen landwirtschaftlichen Betrieb geführt, der seit dem Jahr 1700 besteht; nun ist Bruno an der Reihe und will damit ein Zeichen setzen gegen die derzeitigen Entwicklungen, in denen Diversität und Gleichberechtigung überall wieder zurückgefahren werden – gerade auch in Italien, wo Ministerpräsidentin Giorgia Meloni alles versucht, Homosexuellen zu schaden, wenn auch bisher größtenteils zum Glück mit mäßigem Erfolg.
„Wir wollen ein Bezugspunkt im Weinsektor für diejenigen sein, die der LGBTQIA+-Gemeinschaft angehören oder sie unterstützen, genau wie wir. Wir stellen stolz unsere Identität in den Mittelpunkt, schaffen einen sicheren Raum der Arbeit und der Sozialität, fördern authentische Repräsentation und Respekt für alle Artenvielfalt“, so Bruno.
Eine queere Wahlfamilie
Eigentlich, so die Chefin weiter, sei das hier schon immer ein „queerer und feministischer Betrieb“ gewesen, denn die ganze Arbeit hätten seit jeher Frauen, Mütter, Tanten und Freundinnen vollbracht, wie sie im Interview mit La Cucina Italiana erzählt. Schon immer sei dabei auch die Wahlfamilie wichtiger als die Blutsfamilie gewesen – und eine solche queere Wahlfamilie gäbe es jetzt hier erneut. Der Titel Gringhigna bezeichnet dabei nicht nur den Wein, sondern sei auch ein Wortspiel, das an jene Ranken erinnern soll, die „im Frühling überall emporwachsen“, komme was wolle. Als wollten sie sagen: Widerstand ist bereits ein Zeichen des Erfolgs.
Das passe perfekt, so die Chefin weiter. So erzähle jede Flasche nicht nur die Geschichte dieser Freiheit und der Menschen vor Ort, sondern auch von den historischen Frauen, die früher auch in Italien gern zu Hexen erklärt worden waren. Die Etiketten zeigen deswegen auch gerne nackte Damen und wurden von queeren italienischen Künstlerinnen entwickelt. „Mit dem queeren Wein unterstützen wir auch Pride-Veranstaltungen. Ich würde mir wünschen, dass es eines Tages genauso normal ist, von einem queeren Unternehmen zu sprechen wie von einem Familienunternehmen“, so die Winzerin stolz.
Bereits 2017 gründeten drei schwule Freunde „Prodigio Divino“, ein Weingut in der Toskana, dass homosexuelle Vereine unterstützte und sich für mehr Gleichberechtigung für Schwule und Lesben in Italien einsetzte. Drei Jahre später erweiterten sie ihr Sortiment mit einer Schmuck- und Taschenlinie. Zuletzt ist es allerdings sehr ruhig um das Projekt geworden, das jahrelang immer wieder homophob in den sozialen Medien angegriffen worden war.