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Urteil des EU-Parlaments
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Urteil des EU-Parlaments EU-Parlament verurteilt Leihmutterschaft - allerdings nicht in allerletzter Konsequenz

ms - 29.04.2024 - 12:00 Uhr

Entgegen den jüngsten Überlegungen in Deutschland hat das EU-Parlament jetzt dafür gestimmt, Leihmutterschaft klar rechtlich als Menschenhandel zu definieren. Bei der Abstimmung gab es 563 Ja-Stimmen, sieben Nein-Stimmen und 17 Enthaltungen. Unabhängig von der politischen Ausrichtung stimmte damit der allergrößte Teil des EU-Parlaments gegen eine Leihmutterschaft – ein Thema, das gerade unter Homosexuellen stark umstritten ist. 

Leihmutterschaft ist Menschenhandel

Damit werden nun die europäischen Richtlinien von 2011 in puncto Menschenhandel überarbeitet  – künftig finden sich darin neben der Leihmutterschaft auch die illegale Adoption sowie die Zwangsheirat. Die EU-Mitgliedstaaten haben von jetzt an zwei Jahre Zeit, die neuen Regelungen umzusetzen. Initiiert wurde die Überarbeitung vom französischen Europa-Abgeordneten François-Xavier Bellamy, Mitglied der Europäischen Volkspartei (EVP).

In einer Konferenz vorab hatte Bellamy darüber informiert, zusammen mit der Französin Olivia Maurel, die selbst durch Leihmutterschaft geboren wurde und sich heute in einer internationalen Organisation für ein Verbot der Leihmutterschaft einsetzt. Man vergesse in der ganzen Diskussion dabei zumeist die Rechte der Kinder, wie Maurel beklagte. In einem ersten Schritt sei die jetzt erfolgte Verurteilung richtig, aber noch längst zu wenig. 

Kleines Hintertürchen 

Der Knackpunkt dabei: Der neue Text verurteilt den „Menschenhandel zum Zwecke der Ausbeutung der Leihmutterschaft“ und richtet sich gegen „Personen, die Frauen zwingen, als Leihmütter zu fungieren, oder die sie dazu verleiten“. 

Der Aspekt der sogenannten „ethischen Leihmutterschaft“, bei der sich eine Frau „uneigennützig“ als Leihmutter für ein kinderloses Paar zur Verfügung stellt, wird nicht ausdrücklich verurteilt, obwohl die Richtlinie feststellt, dass die Leihmutterschaft „eine Form der Nötigung ist, sei es in wirtschaftlicher, emotionaler oder familiärer Hinsicht“ und „eine Form der Täuschung“ für alle Leihmütter darstelle. Dieses kleine Hintertürchen findet derweil viel Kritik von Gegnern der Leihmutterschaft.  

Umstrittenes Thema in der Gay-Community

In der Gay-Community wird das Thema bis heute sehr kontrovers diskutiert – es gibt sowohl LGBTI*-Vereine, die eine Leihmutterschaft für homosexuelle Paare begrüßen würden wie jene, die das ausdrücklich nicht tun. 

Erst vor wenigen Tagen erklärte in Deutschland die Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin, dass aufgrund ethischer, praktischer und rechtlicher Überlegungen die altruistische Leihmutterschaft verboten bleiben sollte. 

Dabei machten die Experten allerdings die Ausnahme, dass unter bestimmten Voraussetzungen, zum Beispiel bei einem nahen verwandtschaftlichen oder freundschaftlichen Verhältnis zwischen Wunscheltern und Leihmutter, das bisherige Verbot gestrichen werden könnte. Der Vorschlag entfachte die Debatte um Leihmutterschaften für Schwule und Lesben erneut. Auch in anderen Ländern Europas wie zuletzt Italien sorgt das Thema regelmäßig für hitzige Diskussionen.  

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