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Hass-Gewalt gegen Kirche

Hass-Gewalt gegen Kirche Nach einem CSD-Gottesdienst in Stuttgart erlebten zwei Pfarrer eine Welle von Anfeindungen – vor allem von jungen Menschen

ms - 31.07.2025 - 13:00 Uhr
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Im Rahmen der Pride Weeks und des CSDs am vergangenen Wochenende in Stuttgart hatten sich vergangene Woche am Mittwoch einige Menschen in der Leonhardskirche eingefunden, um zusammen mit Pfarrer Axel Schwaigert einen CSD-Gottesdienst zu feiern. Der Geistliche hatte dazu rund um den Altar auch Papierfahnen in Regenbogenfahnen angebracht, dazu hingen diverse Pride-Flaggen in der ganzen Kirche verteilt, der Priester selbst trug eine bunte Stola. Ähnliche Angebote für LGBTIQ+-Menschen gibt es bereits in anderen Städten, beispielsweise in München. In Stuttgart sorgte der besondere Gottesdienst nun für einen Eklat. 

Hasserfüllte Kommentare 

Die Meldungen über den Gottesdienst und ein Video darüber in den sozialen Medien gingen viral und es folgte eine wahre Flut an widerwärtigen Hass-Kommentaren. Ein User schrieb: „Zwei Liter Super Plus und ein Streichholz könnten es stoppen“, andere erklärten, es sei verständlich, dass die Kirche eine Messe für „Pädophile und Vergewaltiger“ veranstalte. Und mehrere weitere Kommentatoren erklärten, der CSD-Gottesdienst sei Anlass genug, um aus der Kirche auszutreten.  

Pfarrer Schwaigert betonte dazu jetzt gegenüber der Stuttgarter Zeitung: „Letztendlich ist es ein Ausdruck von Angst. Letztendlich ist es ein Ausdruck von ´Wir wollen, dass alles wieder so ist, wie früher, wo man euch nicht gesehen hat.´ (…) Ich bin stark genug – aber es gibt viele, die darunter leiden. Diese Sätze machen Menschen kaputt!“

Viele Hater waren sehr jung 

Zudem zeigte sich der queere Geistliche der Salz der Erde MCC Gemeinde über das Alter vieler Hass-Autoren tief besorgt: „Es schockiert mich, dass es viele junge Leute sind, wenn man sich die Profile anschaut. Es sind nicht die alten Knacker (…), nein, es sind die Jungen, das schockt mich. Das trifft mich, wo ich denk: Was ist da schief gelaufen? Wo haben wir sie verloren? Habt ihr nichts Besseres zu tun? Macht doch nicht andere klein. Macht doch nicht andere kaputt.“ 

Der queere Pfarrer blickt dabei auch in die Vergangenheit und betonte weiter: „Das habe ich so nicht erwartet. Vor 20 oder 25 Jahren haben wir das viel mehr abgekriegt, aber dann wurde es besser. Auf einmal bläst uns wieder ein kalter Wind entgegen (…) Mich schockiert auch die verbale Gewalt, die da eine Rolle spielt, weil es ist verbale und spirituelle Gewalt, die da ausgeübt wird.“

Keine Bereitschaft für Gespräche 

Sein Kollege Pfarrer Benedikt Jetter sagte dazu: „Gewundert hat mich wenig. Geschockt hat mich viel.“ Die wüsten Beschimpfungen seien dabei vor allem ein Ausdruck der Schwäche der Verfasser. „Einer der wichtigsten Sätze in der Bibel ist: Fürchtet Euch nicht. Wenn ich das verstanden habe, muss ich nicht Selbstbewusstsein dadurch aufbauen, dass ich andere klein mache“, so Jetter. Beide Priester befürchten, dass es nicht nur bei verbalen Attacken bleibt: „Worten können Taten folgen. Erst schreibt man über Gewalt, dann fliegen irgendwann Steine.“ 

Dabei sind viele homophoben Angreifer offenbar auch kaum bereit, ins Gespräch zu gehen. Kurz vor dem Gottesdienst am vergangenen Mittwoch standen zwei Männer vor der Kirche, beteten den Rosenkranz und hielten ein Leinentuch hoch, auf dem stand: Hände weg von unseren Kindern. „Ich habe dann getan, was ich immer tue: Ich habe sie gefragt, ob sie nicht reinkommen und mit uns den Gottesdienst feiern wollen, danach hätte ich Zeit zum Reden“, so der Pfarrer. Darauf eingelassen haben sich die Männer offenbar nicht. Einer der beiden erklärte dem Geistlichen später, er „habe sich nicht vorbei getraut“. Schwaigert abschließend: „Ich würde gerne darüber reden, was bedeutet es denn, ein Mann zu sein? Was bedeutet es, als Mann einen Mann zu lieben? Dann komm doch und rede mit mir, dann kann ich es dir erklären.“

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