Streitfall Leihmutterschaft Soll Deutschland die Leihmutterschaft teilweise erlauben?
Nachdem gestern die Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin ihren Abschlussbericht vorgelegt hat, wird in der LGBTI*-Community einmal mehr über das umstrittene Thema der Leihmutterschaft diskutiert. Die Experten legten dabei dar, dass aufgrund ethischer, praktischer und rechtlicher Überlegungen die altruistische Leihmutterschaft verboten bleiben sollte.
Allerdings mit einer Ausnahme: Unter sehr engen Voraussetzungen, zum Beispiel bei einem nahen verwandtschaftlichen oder freundschaftlichen Verhältnis zwischen Wunscheltern und Leihmutter, könnte hier das bisherige Verbot entfallen. Für Homosexuelle mit einem Kinderwunsch könnte sich so die Möglichkeit einer Leihmutterschaft auftun.
Breiter gesellschaftlicher Konsens wichtig
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) erklärte dazu: "Am Ende braucht es dafür aber einen breiten gesellschaftlichen und natürlich auch parlamentarischen Konsens.“ Und Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) ergänzte: „Als Bundesregierung werden wir den Bericht gründlich auswerten, insbesondere die verfassungs- und völkerrechtlichen Argumente werden wir prüfen. Diesen Auftrag nehmen gerade wir in unserem Hause als Verfassungsressort sehr ernst. Das gebietet uns nicht zuletzt das Verantwortungsbewusstsein für den sozialen Frieden in unserem Land.“
LSVD+ sieht geringes Ausbeutungspotenzial
Es gilt als wenig aussichtsreich, dass die Ampel-Regierung noch bis zur Bundestagswahl im kommenden Jahr eine Gesetzesänderungen überhaupt vorlegen könnte. Die Debatte darum entfacht aber trotzdem gerade von neuem. Patrick Dörr vom Verband Queere Vielfalt (ehemals Schwulen- und Lesbenverband), kurz LSVD+, erklärte dazu: „Aktuell reisen viele queere Paare ins Ausland, um einander zur eigenen Familiengründung eine Eizelle zu spenden – ein in der Regel teures Unterfangen. Der LSVD spricht sich daher klar dafür aus, dass dies auch in Deutschland möglich sein muss. Das Risiko von Ausbeutung ist hier als gering einzuschätzen. Das gleiche gilt für jene Fälle, in denen Eizellen gespendet werden, die im Rahmen einer Fruchtbarkeitsbehandlung entstanden und überzählig sind. Auch hier spricht sich der LSVD für eine Legalisierung der Spende in Deutschland aus.“
Des Weiteren betont der LSVD+, dass eine gesetzliche Grundlage dann Selbstbestimmung und Schutz gewährleisten müsse, daher bedürfe es auch einer medizinischen und rechtlichen Aufklärung mit gesicherter Finanzierung.
Was ist Familie?
Grundsätzlich hält der Verein weiter fest, dass eine Inanspruchnahme reproduktionsmedizinischer Leistungen allerdings keine Voraussetzung für die rechtliche Anerkennung von Regenbogenfamilien werden dürfe. „Queere Familiengründungen sind vielfältig; in vielen Fällen ist keine medizinische Assistenz notwendig. Wichtig ist, dass der Zugang zu reproduktionsmedizinischen Maßnahmen und eine etwaige finanzielle Förderung diskriminierungsfrei unabhängig von Geschlecht, Familienstand oder Sexualität der Personen sichergestellt wird. Queere Familien müssen jedoch auch dann rechtlich anerkannt werden, wenn sie privat entstanden sind“, so Dörr weiter.
Kritik von Frauen- und Schwulenverbänden
Frauenschutzorganisationen sowie auch mehrere schwul-lesbische Verbände sprechen sich hingegen klar gegen jede Änderung des Verbots der Leihmutterschaft ein. Florian Greller vom Schwulenverband Just Gay erklärte dazu bereits 2023 gegenüber SCHWULISSIMO: „Es gibt kein Grundrecht auf ein Kind und die Leihmutterschaft ist nichts anderes als eine Ausbeutung von Frauen. Daher Nein, auch wenn es manche Paare vor den Kopf stößt. Persönliche Wünsche und Befindlichkeiten sind hier nachrangig.“
Nicht nur in Deutschland, auch in anderen Ländern wie beispielsweise Großbritannien sorgt das Thema immer wieder für hitzige Debatten, in Italien wurden die Verbote zur Leihmutterschaft 2023 noch einmal verschärft. Angeheizt werden die Diskussionen auch immer wieder durch prominente homosexuelle Paare wie beispielsweise Olympia-Wasserspringer Tom Daley und seinem Ehemann und Regisseur Dustin Lance Black, die durch Leihmutterschaft zwei Söhne bekommen haben.