Direkt zum Inhalt
Tolerantia Awards 2024
Rubrik

Tolerantia Awards 2024 Fünf Preisträger mit einer besonderen Message: Kein Platz für LGBTIQ+-Hass

ms - 07.03.2025 - 13:00 Uhr

Die Tolerantia Awards 2024 werden am kommenden Samstag in Belfast vergeben und setzen ein starkes Zeichen gegen Hass und für die queere Community. Dabei hat die Jury in diesem Jahr ein besonderes Händchen bewiesen, um mit der Preisvergabe Konservativen und christlichen Hardlinern mutig entgegenzutreten.

Besondere Preisträger

Die fünf diesjährigen Preisträger sind die deutsche Journalistin, Schriftstellerin und Integrationsbeauftragte von Berlin-Neukölln, Güner Balcı, der künstlerische Leiter der Eröffnungs- und Abschlussfeier der Olympischen Spiele 2024 in Paris, Thomas Jolly, sowie die französische lesbische DJane Barbara Butch, die als besonderes Gesicht von Olympia in Erinnerung geblieben ist. Ferner werden die LGBTIQ+-Aktivistin, Journalistin und Frauenrechtlerin Renata Kim aus Polen sowie Gareth Johnston, Initiator für LGBTIQ+-Inklusion in Nordirland ausgezeichnet.  

Besondere Auszeichnung aus der Community

Seit 2006 werden die europäischen Tolerantia Awards vergeben, ein Projekt von mehreren Organisationen aus der Community, darunter der Berliner Gewaltpräventiv-Verein Maneo, die Gruppe Lambda-Warszawa aus Polen, das Rainbow Project aus Nordirland sowie die Initiative SOS Homophobie aus dem Nachbarland Frankreich. Allesamt sind sie Mitglieder der „European Alliance Against Homophobia“. 

Dazu betont das Bündnis: „Unsere Organisationen setzen sich unermüdlich für Menschen ein, die Ausgrenzung, Diskriminierung und gewalttätige Übergriffe erlitten haben und Hilfe suchen. Nominiert werden die Preisträger*innen von unabhängigen Jurys in den jeweiligen Ländern. Gewürdigt werden Menschen, Einrichtungen und Gruppen für herausragendes Engagement, das demokratische Prinzipien wie Gleichberechtigung, Solidarität, gesellschaftliche Vielfalt und Toleranz sowie Einsatz gegen Homophobie, Rassismus, gegen jede Form von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit im eigenen Land, in Europa und darüber hinaus unterstreicht.“ Der Austragungsort selbst indes wechselt von Hauptstadt zu Hauptstadt der Mitglieder-Organisationen, in diesem Jahr findet die Preisvergabe in Belfast statt. 

Balcı aus Berlin

Güner Yasemin Balcı setzt sich seit vielen Jahren als Journalistin und Schriftstellerin für Integration und ein kulturelles Miteinander ein – geboren 1975 in Berlin-Neukölln ist sie bis heute verwurzelt mit ihrer Heimat. Ihre Eltern kamen als Gastarbeiter in den 1960er Jahren aus der Türkei und ermöglichten ihrer Tochter, Erziehungs- und Literaturwissenschaft zu studieren. Immer wieder berichtet sie über die Lage von Migranten in Deutschland, sowohl für Print-Medien wie auch das Fernsehen. Auch in ihren Romanen widmet sie sich verstärkt diesem Thema. Mehrere ihrer Reportagen wurden ausgezeichnet, unter anderem mit dem Civis-Fernsehpreis sowie dem Bayerischen Fernsehpreis. Die Jury aus Bayern betonte, dass es Balcı in ihren Dokumentationen gelungen ist, „für die Freiheit und Selbstbestimmung der Frau einzutreten, gleichzeitig den Schutz des Privaten zu wahren und die Voraussetzungen für eine moderne und zeitgemäße Gesellschaft unterschiedlicher Kulturen einzufordern.“ 

Rund eineinhalb Jahre lang unterstützte sie auch tatkräftig ihre Schriftsteller-Kollegin Seyran Ateş beim Aufbau der Ibn Rushd-Goethe Moschee in Berlin, dem ersten Glaubenshaus auch für queere Muslime. Seit 2020 ist sie zudem die Integrationsbeauftragte von Berlin-Neukölln. Die Jury betont dabei insbesondere, dass sich Balcı fortlaufend für die Gleichberechtigung und Emanzipation aller Minderheiten sowie gegen Diskriminierung, Ausgrenzung und Gewalt engagiert. „Auch ihr Wirken als Integrationsbeauftragte ist davon geprägt – immer kritisch und mit dem Finger auf den schmerzhaften Realitäten, aber auch immer getrieben von der Zuversicht, dass sich zusammen eine bessere Welt schaffen lässt. Dass man die Dinge anpacken muss, damit sie funktionieren. Und wie nebenbei zeigt sie der Welt auch immer wieder die schönen Ecken und Kanten Neuköllns, seine Engel und Held/innen – Ansporn, nicht nur für sie selbst, sondern für die Menschen, für die sie sich engagiert, für uns alle. Dafür sind wir ihr zutiefst dankbar und möchten sie preisen. Wir würdigen ihr herausragendes, unerschütterliches Engagement für Gleichberechtigung, Solidarität, gesellschaftliche Vielfalt und Toleranz und ihren konsequenten Einsatz gegen Homophobie, Sexismus, Rassismus und Antisemitismus, gegen jede Form von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit in Neukölln, in Berlin, in ganz Deutschland. Sie ist eine Heldin unserer Zeit, die auch Europa und den Rest der Welt nie aus dem Blick verliert und sich weder von Drohungen noch von Beleidigungen einschüchtern oder gar ausbremsen lässt. Wir sind stolz auf unsere Preisträgerin Güner Yasemin Balcı“, so die Jury. 

Klares Statement zum „queeren Abendmahl“

Die Kollegen aus Frankreich stellten mit der Entscheidung über die diesjährigen Preisträger ebenso eindrucksvoll dar, dass Hass und Hetze keine Optionen sind. Bei der Eröffnungsfeier der Olympischen Sommerspiele in Paris 2024 entfachte eine Szene besonders viel Resonanz: In der Show traten nicht nur mehrere Drag-Queens und queere Persönlichkeiten auf, sondern versammelten sich auch an einem langen Tisch, in der Mitte die in Frankreich sehr beliebte DJane und lesbische Aktivistin Barbara Butch samt Strahlenkranz – für konservative Christen war schnell klar, dass damit das christliche Abendmahl in den Schmutz gezogen und der Lächerlichkeit preisgegeben werden sollte. 

Fast 400.000 Christen unterschrieben daraufhin eine Petition und forderten ebenso wie der Vatikan in Rom eine Entschuldigung – und bestenfalls gleich die Absetzung des künstlerischen Leiters, dem französischen schwulen Schauspieler und Theater- sowie Opernregisseur Thomas Jolly. Dieser erklärte, es habe sich keineswegs um ein „queeres Abendmahl“ sondern um die Darstellung eines Gelages des griechischen Gottes Dionysos gehandelt. Beruhigen konnte das die Gemüter nicht. Schlussendlich platze Anne Hidalgo, der Bürgermeisterin von Paris, der Geduldsfaden: „Scheiß auf die Reaktionäre, scheiß auf die Rechtsextremen, scheiß auf alle, die uns in einen Krieg jeder gegen jeden verwickeln wollen.“ Das dies nicht gelang, ist nebst Hidalgo auch den beiden Geehrten Jolly und Butch zu verdanken. 

Einsatz unter erschwerten Bedingungen

Die Vierte im Kreise der Preisträger ist dann die polnische Journalistin Renata Kim, die sich in ihren Reportagen und Büchern seit Jahren für die LGBTIQ+-Community in ihrer Heimat einsetzt. „Mit ihrem Engagement für soziale Gerechtigkeit und ihrem Mut, Gesellschaftsnormen zu hinterfragen, hat Renata Kim Hervorragendes geleistet. Immer wieder nutzt sie ihre journalistischen Plattformen für Themen, die viele andere scheuen, unter anderem LGBTIQ+-Rechte, seelische Gesundheit und die Kämpfe marginalisierter Communitys“, so die Jury. Sie sei und bleibe ein Vorbild und „Leuchtturm der Hoffnung“. 

Ähnlich wie der letzte Gewinner des diesjährigen Tolerantia Awards: Gareth Johnston. Der schwule hohe Beamte des öffentlichen Dienstes engagiert sich seit Jahrzehnten für die Community: „Gareth Johnstons Arbeit zu LGBTIQ+-Themen hat immens viel bewirkt. Nordirland ist historisch ein hartes Pflaster für LGBTIQ+- Personen, aber Johnston stand immer fest an ihrer Seite (…) Er hat Inklusion von ganz oben gefördert, für nachhaltigen Wandel gesorgt und Initiativen für ein besseres Leben der LGBTIQ+-Community unterstützt“, so die Jury aus Nordirland. 

ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE

Auch Interessant

Historische Neuerung

Pride am Windsor Castle

Das ist historisch - und modern! Erstmals findet in diesem Sommer ein Pride beim Hauptresidenz der britischen Royals in Windsor statt.
Sex-Tapes vom Killer?

Neue Schlagzeilen im Fall Mangione

Die US-Gay-Community ist dem mutmaßlichen Mörder Luigi Mangione teilweise verfallen - nun soll es heiße Sex-Videos mit dem 26-Jährigen geben.
Fatale Verzögerungstaktik

Kenias Verbot der Homosexualität

Homosexuelle in Kenia kämpfen um ihr Leben, eine Entkriminalisierung könnte die Kehrtwende bringen, doch eine Entscheidung vor Gericht wird verzögert.
LGBTIQ+-Jugend in den USA

Neuste Zahlen geben wenig Hoffnung

Die Lage spitzt sich weiter zu, neuste Daten zeigten jetzt auf: Rund 40 % der jungen LGBTIQ+-Amerikaner denken inzwischen ernsthaft über Suizid nach.
Urteil über schwulen Sex-Blog

Fall aus Polen schlägt hohe Wellen

Darf ein schwuler Lehrer einen Sex-Blog online schreiben? Der Streit aus Polen landete jetzt vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte!
Kritik an Trumps Agenda

Uni Koblenz zum queeren Verbot

US-Präsident Trump will alle trans* Menschen aus dem Militär rauswerfen lassen - dagegen regt sich jetzt auch aus Deutschland Widerstand.
Urteil in Wien

Eifersuchtsdrama unter Lesben

Ein Eifersuchtsdrama eskalierte in Wien zwischen zwei lesbischen Frauen, bis die eine mit einem Küchenmesser auf ihre Freundin einstach.
Roman Mercury ist tot

Neuer Todesfall in der Adult-Branche

Nach Tim Kruger hat die Adult-Branche einen weiteren Todesfall zu verkraften: Darsteller Roman Mercury starb Ende Februar in den USA mit 45 Jahren.
Heimlicher Ausstieg

USA verlässt UN-Bündnis

Kein Einsatz mehr für grundsätzliche LGBTIQ+-Menschenrechte: Die US-Regierung schafft neue Tatsachen bei den Vereinen Nationen.