Mutiger Widerstand Schwule und Lesben bauen im Internet wichtige Strukturen auf, um sich gegen das Anti-Homosexuellen-Gesetz zur Wehr zu setzen
Wie viel Mut bedarf es, offen zu seiner Homosexualität zu stehen oder für gleiche Rechte zu kämpfen? Ein Frage, die mitunter bereits in Deutschland nicht einfach zu beantworten ist, denkt man gerade an den Aufmarsch von Rechtsextremisten bei Pride-Demonstrationen in diesem Jahr. Tatsächlich lebensgefährlich wird die Ausgangslage allerdings inzwischen in Ghana.
Gemeinsam stark sein
Im Februar dieses Jahres beschloss das Parlament, dass bereits die Existenz von Homosexualität unter Strafe gestellt wird, es drohen mehrjährige Haftstrafen. Seit dem Sommer dieses Jahres formiert sich der erste Widerstand im Land. Daneben offenbaren die jüngsten Berichte von schwul-lesbischen Ortsgruppen, dass Homosexuelle in den letzten Monaten Strategien entwickelt haben, wie sie bestmöglich mit der gefährlichen Lage in ihrer Heimat umgehen können.
Ein großer Punkt ist dabei die Ausweitung von digitalen Schutzräumen auf Plattformen wie X, Instagram und via WhatsApp – in den letzten Monaten sei das anonyme Internet immer mehr unverzichtbar geworden. Hier werden inzwischen nicht nur Kontakte geknüpft, sondern auch Widerstand organisiert und Unterstützung für homosexuelle Menschen in Not bereitgestellt. Dazu hat sich offenbar eine lebendige homosexuelle Underground-Kunstszene entwickelt, die überdies zu Ungehorsam aufruft.
Kreativität gegen den Hass
Gerade diese kreativen Plattformen und Anlaufmöglichkeiten erlauben es Schwulen und Lesben in Ghana, ihre Identität auf eine Weise zu erforschen und auszudrücken, die sowohl persönlich erfüllend als auch politisch subversiv ist. Die oft daraufhin im Verborgenen stattfindenden Kunstausstellungen, Filmvorführungen, Theateraufführungen und Begegnungsräume vermitteln dabei ein wichtiges Gefühl der Gemeinschaft und Zugehörigkeit und fördern die Widerstandsfähigkeit gegenüber äußeren Anfeindungen.
„Generell ist die LGBTI*-Existenz auf dem Kontinent im west- und ostafrikanischen Gürtel derzeit ein wenig prekär. Aufgrund der Sensationslust rund um das neue Gesetz sowie aufgrund der Tatsache, dass gewalttätige Angriffe auf die Gay-Community zunehmen, zogen sich viele Schwule und Lesben zunächst einmal in ihr Schneckenhaus zurück und waren bei LGBTI*-Aktivitäten, Interaktionen und Engagements übermäßig vorsichtig“, erklärt Rayku, ein ghanaischer Schwulenaktivist.
Der Mut wächst
Nach und nach würden sich dabei aber immer mehr Menschen trauen, doch ihre Stimme zu erheben. Rayku ist einer jener Kreativen, der online frei über sein Leben berichtet, Mut macht und gleichzeitig explizit auf die andauernden Menschenrechtsverletzungen im Land hinweist. Gerade diese Dokumentation sei wichtig – für die Gegenwart wie auch für die Zukunft.
Für viele Einwohner im Land ist das Leben von Homosexuellen bis heute minderwertig, das neue Gesetz hat die Lage dabei noch einmal verschärft: „Ich habe von zahlreichen Fällen von Übergriffen gegen homosexuelle Menschen gehört, die derzeit in Ghana stattfinden. Gleich nach der Verabschiedung des Gesetzes im Parlament kam es zu zahlreichen Gewalttaten und Entführungen, und in den letzten Monaten haben die Übergriffe zugenommen.“
Tagtägliche Angriffe auf Homosexuelle
Ähnliches erlebte auch Denii Peror, ein schwuler TikToker aus Ghana: „Man wird ständig angegriffen und wie ein Untermensch behandelt, nur weil man seine Wahrheit lebt. Man wird als schwach angesehen, was einen zur Zielscheibe von Tyrannen macht, die einen grundlos angreifen und in der Öffentlichkeit blamieren. Man wird ständig beurteilt, und, um ehrlich zu sein, wird es manchmal einfach zu viel, denn egal wie sehr man versucht, stark zu sein, dieser Hass findet immer einen Weg, sich einzuschleichen und miese Gedanken wie Selbstzweifel oder Scham aufflammen zu lassen.“ Gerade in solchen Momenten sind die neuen digitalen Welten für Homosexuelle im Land überlebenswichtig.
Die Gewalt im Land wird das allein natürlich nicht stoppen können und fürwahr mag es nur ein gewisser Trost sein – an einem Ort wie Ghana wird das Internet trotzdem zur Rettung und letzten Anlaufstelle für all jene, die tagtäglich Anfeindungen aufgrund ihrer Sexualität erleben. „Das Gesetz hat Kriminelle ermutigt, die nun glauben, dass das Gesetz sie voll und ganz unterstützt. Diese Leute kommen heutzutage in aller Öffentlichkeit auf mich zu und sagen mir ins Gesicht, dass sie mich tot prügeln werden, wenn sie mich dabei erwischen, wie ich mich wie ein Homosexueller verhalte“, so Peror.
Nicht aufgeben!
„Mein Rat an alle queeren Personen da draußen ist, dass sie nicht aufgeben sollten. Homosexuelle Menschen haben in unseren vorkolonialen Gesellschaften schon immer existiert und wurden offen akzeptiert. Unsere Existenz ist kein Verbrechen, also sehe ich keinen Grund, warum wir uns dafür schämen sollten, wer wir sind. Ghana ist unsere Heimat und wird es immer bleiben, egal was irgendjemand oder das Parlament sagt.“
Der Online-Aktivismus hat inzwischen auch verstärkt die internationale Aufmerksamkeit auf die Notlage der ghanaischen Gay-Community gelenkt und führt so zu mehr Solidarität und Unterstützung von globalen Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch. Schwule und Lesben im Land geraten durch ihre verstärkten Aktivitäten online so nicht in Vergessenheit. „Diese sicheren Räume online helfen uns. Der Weg, der vor uns liegt, bleibt zwar voller Herausforderungen, aber der Mut und die Widerstandsfähigkeit der ghanaischen LGBTI*-Community geben Hoffnung auf eine bessere Zukunft“, so die zwei Aktivisten.