Machtwechsel in Schweden Werden die Rechtspopulisten die Rechte von LGBTI*-Menschen beschneiden?
Mit Bangen blickt die schwedische LGBTI*-Community in diesen Tagen nach Stockholm – nach dem knappen Wahlsieg wird bald ein rechts-konservatives Bündnis im Reichstag das Sagen haben. Für Schwule, Lesben und queere Personen stellt sich dabei die Frage, was das konkret für die Rechte von LGBTI*-Menschen in einem der liberalsten Länder der Welt bedeuten kann. Welchen Einfluss werden rechtskonservative Politiker auf die bisher LGBTI*-freundliche Politik Schwedens haben können?
Als Mitte der Woche die bisherige sozialdemokratische Regierungschefin Magdalena Andersson offiziell ihre Niederlage einräumte, schien es vielen LGBTI*-Menschen so, als erwachten sie aus einem dunklen Traum in einer düsteren Realität – bis zuletzt hatten viele nicht glauben wollen, dass ein Bündnis mit rechten Politikern die Mehrheit der Stimmen hinter sich vereinen hatte können. Anderssons Sozialdemokraten bleiben zwar die stärkste Partei, verfehlten aber dank dem Stimmenverlust beim bisher regierenden Linksbündnis insgesamt die Mehrheit. Die zweitstärkste politische Kraft sind jetzt die rechtspopulistischen Schwedendemokraten, an denen eine neue konservative Regierung nur schwerlich vorbeikommen wird. Insgesamt konnte das konservative Bündnis aus Schwedendemokraten, Moderaten, Christdemokraten sowie Liberalen 176 der 349 Sitze im Parlament gewinnen – jeder fünfte Schwede hat dabei die Rechtspopulisten gewählt.
Wie mächtig werden also die Stimmen der Schwedendemokraten Einzug in ein neues politisches Programm finden? Immer wieder griffen in den vergangenen Jahren Rechtspopulisten der Partei die LGBTI*-Community direkt an. Die CSD-Veranstaltungen nannten sie beispielsweise “obszön“ und attestierten LGBTI*-Menschen, sie hätten viel zu viel Einfluss auf die Regierung des Landes. Mehrfach erklärten Politiker der Partei, sie wollten ein Verbot von Homosexualität ähnlich dem russischen Anti-Homosexuellen-Propaganda-Gesetz auch in Schweden einführen. Im Jahr 2010 konnte die rechtspopulistische Partei erstmals in das Parlament einziehen, vier Jahre später waren sie bereits die drittstärkste politische Kraft im Land. Damals schlossen alle anderen Parteien noch grundsätzlich aus, jemals mit den Rechtspopulisten koalieren zu wollen – diese Versprechungen sind seit dem vergangenen Wochenende höchstwahrscheinlich obsolet geworden.
Die Koalitions-Verhandlungen zwischen den Parteien dürften so oder so allerdings schwierig werden – aktuell wollen die drei konservativen Parteien allein eine Regierung stellen, allerdings mit Unterstützung der Schwedendemokraten. Ob sich diese darauf einlassen und falls ja, zu welchem Preis, ist noch vollkommen offen. Als möglicher neuer Ministerpräsident wird aktuell der Oppositionsführer Ulf Kristersson von den Moderaten gehandelt. Zusätzlich dürften die Verhandlungen durch das knappe Wahlergebnis selbst schwierig werden, denn die vier Oppositionsparteien hatten mit einer hauchdünnen Mehrheit von drei Mandaten am Ende gewonnen. Der Vorsitzende der Schwedendemokraten, Jimmie Akesson, bekräftigte bereits, dass die Partei für eine Zusammenarbeit zur Verfügung stehe, betonte aber einmal mehr einzelne zentrale Themen der Partei – die ausschlaggebenden Aspekte bei der Wahl waren Bandenkriminalität und Einwanderung. Akesson will deswegen die härtesten Einwanderungs-Regeln Europas in Schweden einführen. Viele Schweden teilen diesen Kurs offensichtlich und erklärten im Vorfeld in der lokalen Presse, dass die linksliberale Politik in Schweden gescheitert sei – mit Blick auf die Verbrechensstatistik wird das Wahlverhalten verständlicher: Im Jahr 2021 kam es in Schweden zu 46 Morden bei 335 Schießereien. 76 Prozent der Täter waren vorbestraft, rund 85 Prozent hatten einen Migrationshintergrund. Das durchschnittliche Alter der Täter liegt bei 23 Jahren, rund 2.500 Jugendliche sollen nach Angaben der Polizei Mitglieder in kriminellen Banden sein, die schwerpunktmäßig in großen Städten wie Malmö, Göteborg und Stockholm agieren. Die Entwicklung dieser Zahlen ist dabei stabil in den letzten Jahren, sodass auch Sven Granath, Kriminologe bei der Stockholmer Polizei, gegenüber dem Magazin La Croix von einem "ziemlich typischen" Jahrgang 2021 spricht.