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Landtagswahlen in Ostdeutschland
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Landtagswahlen Ostdeutschland Steigt die FDP möglicherweise nach den Landtagswahlen aus der Regierung aus? Was würde das für die LGBTI*-Community bedeuten?

ms - 30.08.2024 - 14:00 Uhr

Am Sonntag wird in Sachsen und Thüringen ein neues Parlament gewählt – laut den jüngsten Umfragen könnte in beiden Bundesländern die AfD mit jeweils über 30 Prozent als stärkste Kraft daraus hervorgehen. Queere Verbände warnten in dieser Woche eindringlich vor einem Rechtsruck in Deutschland. Zerbricht an diesem Wochenende möglicherweise deswegen auch die Ampel-Regierung?

Zerbricht die Ampel nach den Landtagswahlen?

Der Streit in der Regierung dauert aufgrund diverser Themen seit Monaten an, zuletzt nannte Grünen-Chef Omid Nouripour leicht resigniert die Ampel eine „Übergangskoalition“. Laut Verleger und Politik-Experte Wolfram Weimer suche die FDP nur noch nach einem „Exit-Moment“, also den idealen Ausstiegspunkt, um das Regierungsbündnis vorzeitig zu beenden, denn man wolle keineswegs „mit dieser Ampel in die Bundestagswahl“ gehen. Die Wahlergebnisse an diesem Sonntag könnten dabei möglicherweise ausschlaggebend sein, in Thüringen kämen die Liberalen laut der neusten Prognose nur noch auf knapp drei Prozent, in Sachen sogar nur noch auf ein Prozent – in beiden Fällen würde die Partei an der 5-Prozent-Hürde scheitern. 

Laut Weimer könne das vorzeitige Ende der Ampel nur von der FDP eingeläutet werden: „Vor allem Grüne und Sozialdemokraten wissen, dass es für sie das schlimmste Ergebnis seit vielen Jahren, bei der SPD wahrscheinlich in der Geschichte dieser Republik wird, wenn sie jetzt in Neuwahlen gehen. Aus Angst davor, dass man dem Wähler sozusagen jetzt die Gestaltungsstimme überlässt, hält man lieber durch und klammert sich an die Macht“, so der Polit-Experte im Interview mit FOCUS online.

LGBTI*-Vorhaben in der Warteschleife

Doch was würde das vorzeitige Ende der Ampel-Regierung für die LGBTI*-Community bedeuten. Ob und wie ein nationaler Aktionsplan überhaupt umgesetzt oder weitergeführt werden würde, wäre dann fraglich – erste konkrete Maßnahmen sind sowieso erst 2025 angedacht. Die Ergänzung des Grundgesetzes in Artikel 3 mit dem besonderen Schutz der „sexuellen und geschlechtlichen Identität“ scheiterte bereits in diesem Sommer an der benötigten Zustimmung der Union in Bundestag und Bundesrat. Und ob die Reform des Abstammungsrechtes für Regenbogenfamilien überhaupt noch kommt, ist ebenso offen – zuletzt hatte Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) sich zuversichtlich gezeigt, bis zur Sommerpause einen Gesetzentwurf vorlegen zu können, passiert ist bis heute nichts. 

Wahlaufruf queerer Vereine

Ein gutes Dutzend queerer Vereine betonte in dieser Woche in einem gemeinsamen Statement mit Blick auf die drei Landtagswahlen im September in Ostdeutschland: „Die Anerkennung und Sicherung der gelebten Realitäten von lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans*, intergeschlechtlichen, queeren, aromantischen und asexuellen Menschen vor Ort steht auf dem Spiel. Das gesellschaftspolitische Klima und die Entscheidungsträger*innen bestimmen über den Schutz queerer Menschen vor Hass, Hetze, Ausgrenzung und Diskriminierung. Es geht um nichts weniger als um die Zukunft von Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt!“, so Kerstin Thost vom Lesben- und Schwulenverband Deutschland (LSVD). Jenny Wilken von der Bundesgeschäftsstelle dgti betonte überdies, es sei „unerlässlich, nur die Parteien zu wählen, die sich glaubhaft für Gleichstellung und Akzeptanz von queeren Menschen einsetzen.“

Gelassenheit bei schwul-lesbischen Verbänden 

Gelassener sieht das indes der schwule Verein Just Gay, Sprecher Florian Greller gegenüber SCHWULISSIMO: „Im Grunde ist es erst einmal für uns irrelevant, ob es dieses oder nächstes Jahr zu Neuwahlen kommt, denn viele, aus unserer Sicht schwulenfeindliche Gesetze wurden bereits beschlossen. Diese Regierung ist völlig verloren. Wichtig aus Sicht von schwulen Männern ist daher vor allem die Nachfolgeregierung und wir hoffen, dass eine neue Regierung auch wieder verstärkter die Rechte von Schwulen und Lesben mit einbezieht. Wir wollen nicht mehr als andere, wir würden nur gerne gleichberechtigt mit unseren Anliegen berücksichtigt und bei Gesetzen mitgedacht werden – das ist unter der Ampel leider bis heute nicht möglich gewesen.“ 

Ähnlich sieht das auch der schwul-lesbische Verein LGB Alliance, Sprecherin Martina Haardt betont gegenüber SCHWULISSIMO: „Wir würden uns über ein Ende des Schreckens freuen, aber ob das auch ein wirklicher Neubeginn ist? Alle CDU/CSU-geführten Landesregierungen haben inzwischen queere Aktionspläne, die sich insbesondere an Kinder und Jugendliche richten und darin sexistische Stereotypen verbreiten, was ein Mann und was eine Frau sein soll. Auch eine Rücknahme des Selbstbestimmungsgesetzes unter einer CDU-Bundesregierung ist fraglich, wäre aber aus unserer Sicht für Homosexuelle wie auch für Frauen und Jugendliche sehr wichtig. Zudem kommt es darauf an, welcher Koalitionspartner dann mit der Union regiert – wir bezweifeln daher, dass es wirklich Verbesserungen für LGBs geben wird. Aber wir lassen uns gerne vom Gegenteil überraschen.“

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