Kritik an der ePA Verbände betonten Sicherheitslücken – Bedenken insbesondere bei LGBTI*-Menschen und Personen mit HIV
Über 70 Verbände und Gesundheitsexperten richteten sich jetzt in einem offenen Brief an Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), darunter auch Verbände aus der LGBTI*-Community – die Kernforderung dabei: Die Sicherheitslücken der neuen elektronischen Patientenakte, kurz ePA, müssten dringend geschlossen werden.
Bedenken in der Community
Konstruktiv wollen die Verbände dabei mitarbeiten, die ePA sicher zu machen – zuletzt hatte der Chaos Computer Club gravierende Sicherheitslücken in der IT-Infrastruktur aufgezeigt, sodass Unbefugte sehr leicht Zugriff auf die Patientendaten aller gesetzlich Versicherten haben könnten. Bisher sind diese Probleme weiterhin ungelöst, Lauterbach versprach diese Woche bereits Nachbesserungen.
Innerhalb der LGBTI*-Community bestehen zudem massive Bedenken gegenüber der ePA, zum einen, weil es sich hier in vielen Fällen um besonders sensible Daten handeln kann, und zum anderen ein unbedachtes Vorgehen schnell zu ungewollten Zwangs-Outings in Arztpraxen führen kann. Dazu kommen weitere Bedenken in Bezug auf eine zusätzliche Stigmatisierung zum Beispiel von Menschen mit HIV.
Im Offenen Brief wird dazu festgehalten: „Viele Menschen mit HIV, Geschlechtskrankheiten und anderen stigmatisierten Erkrankungen möchten die Vorzüge der ePA nutzen, nicht jedoch ihre Diagnosen automatisch allen medizinischen Einrichtungen mitteilen, die sie besuchen. Informationen in der ePA zu sperren, ist jedoch unzumutbar kompliziert und erfordert viel Wissen. So werden Diagnosen zum Beispiel nicht nur über bestimmte Dokumente erkennbar, sondern auch über die Medikationsliste und die Abrechnungsdaten in der Akte. Diese müssen daher zusätzlich und für alle beteiligten Gesundheitseinrichtungen gesperrt werden. Die genaue Freigabe oder Sperrung von einzelnen Dokumenten oder Informationen nur für bestimmte Kliniken, Praxen oder Apotheken ist nicht möglich.“
Verständliche Befürchtungen
Der Sozialpädagoge Torben Beimann, fachlicher Leiter für die Beratungs- und Begleitangebote in den Themenfeldern Leben mit HIV, Konsum und Rausch, Frauen und Familien, Migration und Flucht der Aidshilfe Köln, erklärte im Januar dieses Jahres gegenüber SCHWULISSIMO: „Ich kann die Bedenken verstehen. Gleichzeitig ist es immer auch eine Frage, inwieweit ich meine Sexualität und meine Identität als ´anders Sein´ verstehe. Das eine Praxis durch die ePA nun vor dem allerersten Termin bereits alles über mich erfahren könnte, ohne, dass ich mir selber einen Eindruck verschaffen konnte, ob ich mich hier wohlfühle und inwieweit ich welche Details zu meiner Person teilen möchte, finde ich kritisch. Fakt ist, dass außerhalb von Community-nahen Praxen und Behandler:innen eine heteronormative Sichtweise vorherrscht.“
Die ePA startete diese Woche in einigen Modelregionen, bevor sie landesweit zum Einsatz kommen soll. Alle Bundesbürger haben dabei durch das sogenannte Opt-Out-Verfahren bei ihrer gesetzlichen Krankenkasse die Möglichkeit, der Anlage einer persönlichen ePA zu widersprechen.