Kampf um Sichtbarkeit Die LGBTI*-Community zieht nach Olympia ein positives Fazit – der Einsatz für Akzeptanz im Spitzensport muss dabei erhalten bleiben, sagt Schwimmer Gunning
Der jamaikanisch-britische schwule Leistungsschwimmer Michael Gunning (30) hat sich jetzt mit eindringlichen Worten an die internationale LGBTI*-Community gewandt: Nach dem Ende von Olympia müsse das Ziel sein, die Sichtbarkeit von Homosexuellen im Profisport weiter zu erhalten.
Positives Fazit nach Olympia
Aus LGBTI*-Perspektive verliefen die Olympischen Sommerspiele sehr gut – fast 200 offiziell homosexuelle und queere Athleten haben daran teilgenommen, mehr als jemals zuvor in der Olympia-Geschichte. Der Verband OutSports betonte dabei einmal mehr die Wichtigkeit solcher Spitzensportler, die durch ihre Teilnahme auch ein Zeichen von Akzeptanz in die Welt hinaussenden.
Gerade auch deswegen, weil LGBTI*-Olympioniken eindrucksvoll gezeigt haben, dass sie Spitzenleistung erbringen können und damit auch ein klares Statement gegen veraltete Klischees setzen. Das „Team LGBTI*“ landete so beim Medaillen-Ranking auf dem siebten Platz und ergatterte insgesamt 42 Medaillen, darunter fünfzehn Mal Gold, dreizehn Mal Silber und 14 Mal Bronze.
Historischer Schritt für die Community
„Für LGBTI*-Athleten wie mich bedeutete die Feier zum 130-jährigen Bestehen der modernen Olympischen Spiele eine große Veränderung, und ein historischer Schritt für unsere Community. Früher sah ich Menschen wie mich nur selten bei den Spielen vertreten, aber in diesem Jahr gab es eine Rekordzahl offener LGBTI*-Wettkämpfer. Das ist ein Zeichen dafür, dass sich die Einstellung gegenüber LGBTI*-Menschen ändert und dass sich die Athleten endlich sicherer fühlen, wenn sie im Sport ihr wahres Ich zeigen“, so Gunning, der als Schwimmer an drei Weltmeisterschaften teilnahm und sich seit einigen Jahren sehr aktiv für die Rechte von LGBTI*-Menschen einsetzt. Im Jahr 2022 war er auch an der BBC-Dokumentation von Tom Daley beteiligt und gewann für seinen Einsatz bereits den Pride Award. Seit 2019 trägt er den Titel eines Stonewall Sports Champions.
Schwule Sportler als Vorbilder?
Im Besonderen betont der 30-Jährige, warum die Sichtbarkeit von LGBTI*-Athleten weiterhin so wichtig ist: „Wir haben in Sachen Gleichberechtigung weltweit einen langen Weg zurückgelegt, aber wir dürfen nicht vergessen, dass bei den Spielen viele Länder vertreten sind, in denen LGBTI*-Communitys nicht dieselbe Sicherheit und Unterstützung genießen. Für diese Länder ist die Sichtbarkeit von LGBTI*-Athleten, die an den Spielen teilnehmen oder sogar auf dem Podium stehen, entscheidend.“
Eine Umfrage der LGBTI*-Organisation von diesem Jahr zeigt auf, dass noch immer gerade einmal nur 56 Prozent der Briten schwule Sportler für gute Vorbilder halten – es gibt also noch viel Luft nach oben. Gunning betont, er selbst habe sich während seiner aktiven Zeit als Spitzensportler jahrelang besonders männlich und markant gegeben. „Warum können Athleten, die lächeln und einen Hauch ihrer extravaganten Persönlichkeit zeigen, nicht auch auf der Weltbühne glänzen? Es ist schwer, wenn man sich allein fühlt und diese Kämpfe innerlich ausfechten muss, daher spielen Verbündete und Unterstützer eine große Rolle.“
Sichtbarkeit stärkt die Sportler
So ist die Sichtbarkeit von LGBTI*-Athleten nicht nur für die Außenwirkung enorm wichtig, sondern auch für die Spitzensportler selbst. „Indem ich einen wichtigen Teil meiner Identität verbarg, hielt ich mich selbst von meinem vollen Potenzial ab – als Vorbild und als Sportler. Keine LGBTI*-Person sollte sich jemals gezwungen fühlen, in irgendeinem Aspekt ihres Lebens zu verbergen, wer sie ist, und das gilt auch für den Sport. Jeder Sportler ist dann am besten, wenn er ganz offen zeigen kann, wer er ist. Als ich mein wahres Ich angenommen habe, wurden meine Zeiten besser und was noch wichtiger ist: Auch mein Selbstvertrauen wuchs.“
Jeder dritte Athlet ist nicht out
Gunning betont weiter, dass laut den jüngsten Studien immer noch mindestens 33 Prozent der LGBTI*-Menschen ihre Sexualität verheimlichen. Rund 60 Prozent sind bis heute der Auffassung, dass der Spitzensport LGBTI* nicht willkommen heißt. „Diese Zahlen stehen für Tausende, die sich von der vollen Teilnahme am Sport ausgeschlossen fühlen, weil sie Angst haben, ihre wahre Identität zu offenbaren. Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass es mir am besten geht, wenn ich so akzeptiert werde, wie ich bin. Ich habe im Sport Sicherheit und Gemeinschaft gefunden und bin der festen Überzeugung, dass jeder die gleiche Chance haben sollte.“
Gunnings Appell ist daher einfach: Die Sichtbarkeit im Spitzensport und darüber hinaus muss nicht nur erhalten bleiben, sie müsse sich noch verstärken. „Ich weiß, welche Wirkung diese Vorbilder im gesamten Sport und darüber hinaus haben können – und diese Spiele haben uns eine neue Generation beschert. Ich hoffe aufrichtig, dass sie andere so inspirieren können, wie sie mich inspiriert haben.“