Direkt zum Inhalt
HIV in Russland
Rubrik

HIV in Russland Mindestens 1,1 Millionen Russen sind inzwischen HIV-positiv, Hoffnung auf Besserung gibt es kaum

ms - 06.10.2023 - 11:00 Uhr

Mindestens 1,1 Millionen Menschen in Russland sind aktuell HIV-positiv. Die Versorgungslage verschlechterte sich seit dem Ukraine-Krieg immer mehr, jetzt schlagen auch einige russische LGBTI*-und HIV-Verbände Alarm, auch zuvor bereits im August meldeten sich die ersten Vereine. Die Bekämpfung sowie die Prävention von HIV wird dabei auch deswegen immer mehr zu einer unmöglichen Aufgabe, weil durch die Verschärfung des Anti-Homosexuellen-Gesetzes bereits Hilfe für Menschen mit HIV als „Förderung von Homosexualität“ auslegt werden kann.

Drogenkonsum befeuert HIV-Neuinfektionen

Zudem wird die Situation durch die insgesamt desolate Lage der allgemeinen Bevölkerung des Landes verschlimmert, die sich ebenso in den letzten Jahren nochmals verschlechtert hat. Ein Drittel der Neu-Infektionen geht inzwischen so auf intravenösen Drogenkonsum zurück, wie die Andrei-Rylkow-Stiftung berichtet. Sie versorgt bis heute trotz Sanktionen und immer weniger Geld Homosexuelle, Menschen mit HIV und Sexarbeiter sowie Drogenkonsumenten im Land.

Russland setzt auf „moralische Werte“

Die wenigen Organisationen wie die Stiftung, die noch vor Ort aktiv sind, müssen zudem mit immer weniger Geld auskommen, ausländische Spender gibt es zudem aufgrund des Krieges immer weniger und in der Tat besteht zumeist auch die Gefahr, dass die russische Regierung Spendengelder umleitet. Das ist problemlos möglich, seitdem die betreffenden Stiftungen auf die „Liste der ausländischen Agenten“ gesetzt worden sind. Der Kampf gegen die LGBTI*-freundliche Organisationen selbst ist indes altbekannt, bereits seit 2006 geht Putins Regierung systematisch verstärkt gegen alle vor, die sich für Homosexuelle einsetzen – sämtliche Finanzierungen in diese Richtung wurden eingestellt, man wolle eine Priorität auf die Förderung von moralischen Werten und einem „gesunden Lebensstil“ setzen.

HIV und die „Nähe“ zur Gay-Community

HIV-Experten der Stiftung sind sich einig darüber, dass die tatsächliche Zahl der Menschen mit HIV in Russland noch einmal deutlich höher liegen dürfte, doch mehr denn je ist das Virus wegen seiner vermeintlichen Nähe zur Gay-Community ein Tabu. Kurz gesagt, viele Menschen lassen sich auch erst gar nicht testen, zu groß ist die Angst davor, als homosexuell eingestuft zu werden – es drohen gesellschaftliche, wirtschaftliche bis hin zu strafrechtlichen Konsequenzen.

Immer mehr Soldaten greifen zu Drogen

Ein weiteres Problem – es fehlt schlicht an ausreichend vielen Medikamenten, immer wieder kommt es aufgrund von Sanktionen zu Engpässen, gerade im Behandlungsbereich für Menschen mit HIV, wie die NGO Humanitarian Action aus St. Petersburg erklärt. Die HIV-Situation in Russland wird zudem weiter verschlimmert durch den Fakt, dass immer mehr junge Soldaten zu Drogen greifen, um mit der Lage überhaupt noch zurechtzukommen, oftmals werden auch hier Spritzen geteilt, sodass HIV-Neu-Infektionen sehr schnell weitergegeben werden können.

Insgesamt betrachtet besteht wenig Hoffnung, dass sich die Situation irgendwie in absehbarer Zeit verbessern könnte, solange Machthaber Putin weiter den Krieg befeuert und gleichzeitig im Land massiv gegen Homosexuelle und alles andere vorgeht, was damit irgendwie in Verbindung gebracht werden könnte.

ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE

Auch Interessant

Schwulen Rückenansichten

Amüsante Spekulationen in den USA

Amüsante Spekulationen: Die US-Presse fragt sich derzeit, ob in Caspar David Friedrichs Bildern eine homoerotische Komponente mitschwingt.
Bedenken bei E-Patientenakte

Kritik von LSVD+ und Aidshilfe

Ende April kommt die E-Patientenakte bundesweit. Bedenken aus der queeren Community wurden kaum ausgeräumt, so LSVD+ und Hamburger Aidshilfe.
Forderungen an die EU

Pride-Verbot in Mitteleuropa

Wann und wie reagiert die EU auf das Pride-Verbot in Ungarn? Mehrere EU-Parlamentarier fordern jetzt ernsthafte Konsequenzen seitens der EU.
Neue Fälle der Dating-Masche

Opfer aus Hessen und Österreich

Erneut wurden zwei Schwule Opfer der Dating-Masche, die mutmaßlichen Täter sind junge Männer. Die Taten geschahen in Wiesbaden und Wien.
"Wir verlieren dadurch an Akzeptanz"

Kritik von Valerie Wilms

Die vermutlich erste trans* Frau im Deutschen Bundestag, Valerie Wilms, übt Kritik am Selbstbestimmungsgesetz sowie an den Grünen.
Haftstrafe für Gayclub-Chef

Erpressung von schwulen Gästen

Ein Schwulenclub-Betreiber in Niederbayern erpresste und betrog seine Gäste. Das Landgericht Regensburg verurteilte ihn nun zu einer Haftstrafe.
Ende im Fall Anastasia Biefang

Klage scheitert final vor Gericht

Seit 6 Jahren kämpfte trans* Soldatin Anastasia Biefang gegen einen Disziplin-Verweis, nun hat das Bundesverfassungsgericht die Klage abgewiesen.
Widerstand in der Karibik

Rufe nach mehr Homosexuellenrechten

Nachdem in Trinidad und Tobago Homosexualität wieder verboten wurde, nehmen Forderungen nach Gleichberechtigung in der ganzen Karibik an Fahrt auf.
Gefängnisse in Russland

Berichte über dramatische Lage

Berichte über die Lage in russischen Gefängnisse schockieren: Unmenschliche Bedingungen für verurteilte „Extremisten“, darunter auch LGBTIQ+-Menschen.