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Grundrechte in Gefahr
Rubrik

Grundrechte in Gefahr Angriff auf die Eckpfeiler der Demokratie und LGBTIQ+ als Sündenbock

ms - 18.02.2025 - 12:00 Uhr

Der heute veröffentlichte Jahresbericht der ILGA Europe warnt eindringlich vor den jüngsten Entwicklungen – zunehmend seien durch eine Anti-LGBTIQ+-Gesetzgebung in Europa sowie in Zentralasien die fundamentalen Grundrechte in Gefahr. Die Organisation betont eine „neue Ära“, in der Homo- und Bisexuelle sowie queere Menschen „als Waffe eingesetzt werden, um die Grundlagen von Freiheit und Demokratie in ganz Europa zu untergraben.“

Die Mär der LGBTIQ+-Propaganda

Immer mehr Länder auf dem Kontinent würden sich sehr ähnlicher Taktiken wie Russland bedienen – queere Vereine werden als „ausländisch finanziert“ registriert und ihnen so die Legitimität untersagt. Immer wieder wird dabei das Narrativ bedient, durch Verbote von LGBTIQ+ „normale Familien“ und traditionelle Werte schützen zu wollen, stets im Einsatz gegen die „LGBT-Propaganda“. 

Die Mär der „ausländischen Agenten“ bei queeren Verbänden wurde so im letzten Jahr in Bulgarien, Georgien, Ungarn, Kirgisistan und Montenegro der Zivilgesellschaft als direkte Bedrohung präsentiert, um so in einem nächsten Schritt homophobe und queer-feindliche Gesetze durchbringen zu können. 

Zensur der Community 

Inhalte im Bereich LGBTIQ+ werden immer öfter verboten oder stark zensiert, Aktivisten kriminalisiert und zum Schweigen gebracht und dabei direkt außerdem die Versammlungsfreiheit immer weiter eingeschränkt. Gesetze dieser Art wurden 2024 in sieben Ländern (Aserbaidschan, Belarus, Bulgarien, Georgien, Kasachstan, Rumänien und der Slowakei) diskutiert, vorgeschlagen oder verabschiedet. 

„Diese Gesetze werden zunehmend im Bildungsbereich eingesetzt, indem sie die Einbeziehung von LGBTIQ+-Themen in Lehrpläne und Sensibilisierungsinitiativen einschränken oder ganz verhindern. Darüber hinaus wurden in Bulgarien, Ungarn, Italien, den Niederlanden, Luxemburg, Norwegen, Rumänien, Russland und der Slowakei Versuche unternommen, Rechtsvorschriften einzuführen, die LGBTIQ+-Themen aus dem Sexualkundeunterricht ausschließen“, so die ILGA weiter. Das Kernziel stets dabei: Die Sichtbarkeit der Community zu eliminieren. 

Normalisierung von Hass

Ähnlich wie Amnesty International heute betont auch die ILGA dabei eine gefährliche Diskursverschiebung in Europa: „In diesem Zusammenhang werden LGBTIQ+-feindliche Hassreden, Sexismus und Frauenfeindlichkeit zunehmend normalisiert und oft von Personen des öffentlichen Lebens, einschließlich politischer und religiöser Führer und staatlicher Institutionen, angeheizt. Dies wiederum führt zu einem beispiellosen Anstieg der Gewalt, da Hassverbrechen in der gesamten Region ein Rekordniveau erreicht haben.“ 

Eindringlich warnt die Organisation dabei vor einer weiteren „Normalisierung des Hasses“, die sich auf alle Lebensbereiche wie beispielsweise auch der Gesundheitsversorgung von LGBTIQ+-Menschen auswirke. Die ILGA Europe registrierte dabei zuletzt zudem größere Fluchtbewegungen von queeren Menschen beispielsweise aus Russland oder der Türkei und kritisiert, dass Europa „seine Türen verschließt“, auch bei homosexuellen oder queeren Flüchtlingen.   

Krise der Demokratie 

Der Geschäftsführer von ILGA-Europe, Chaber, betonte: „Dieser Bericht bestätigt, was viele von uns befürchtet haben – wir treten in eine neue Ära ein, in der LGBTIQ+-Personen zum Testfeld für Gesetze geworden sind, die die Demokratie selbst aushöhlen. In ganz Europa und Zentralasien benutzen Regierungen eine Anti-LGBTIQ+-Rhetorik, um Einschränkungen der Meinungsfreiheit, der Zivilgesellschaft und faire Wahlen zu rechtfertigen. Was als Angriff auf LGBTIQ+-Rechte beginnt, entwickelt sich schnell zu einem umfassenderen Angriff auf die Rechte und Freiheiten aller Menschen in der Gesellschaft. Dies ist nicht nur ein LGBTIQ+-Problem, es ist eine Krise für die Menschenrechte und die Demokratie insgesamt.

Gerichte als letzte Hoffnung? 

Katrin Hugendubel, Advocacy-Direktorin von ILGA Europe, fügte hinzu: „Während Regierungen zunehmend LGBTIQ+-Personen zum Sündenbock machen, um restriktive Gesetze durchzusetzen, setzen sich die Gerichte sowohl in der EU als auch in ganz Europa für die LGBTIQ+-Menschenrechte ein, mit wichtigen Urteilen zu Verfahren für LGBTIQ+-Asylsuchende, gegen LGBTIQ+-Hassreden, Vereinigungs- und Meinungsfreiheit, rechtlicher Geschlechtsanerkennung sowie sexuellen und reproduktiven Rechten. Aber in dieser kritischen Zeit können unsere Politiker den Schutz der Menschenrechte nicht einfach den Gerichten überlassen. Politiker sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene müssen entschlossen handeln, um den zunehmenden Angriffen auf die Eckpfeiler der Demokratie entgegenzuwirken, die wir beobachten. Die Normalisierung der Anti-LGBTIQ+-Rhetorik ist nicht nur eine Bedrohung für eine Gemeinschaft – sie ist jetzt ein erwiesener direkter Angriff auf die demokratischen Grundsätze, die unsere Gesellschaften untermauern.“

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