EU-Klage gegen Ungarn Größtes Menschenrechtsverfahren der EU beginnt!
Praktisch in letzter Minute erklärten am vergangenen Donnerstag auch Deutschland und Frankreich ihren Beitritt zur EU-Klage gegen Ungarns homophobes Hass-Gesetz, das unter dem Denkmantel von vermeintlichen Kinderschutzgründen jedwede Informationen, Berichte oder Gespräche über Homosexuelle wie auch queere Menschen an Schulen und in den Medien seit 2021 verbietet. Insgesamt schlossen sich 15 EU-Mitgliedsstaaten sowie in einer historischen Entscheidung auch das EU-Parlament dem Verfahren der EU-Kommission an, das noch in diesem Jahr starten soll.
Größte Menschenrechtsklage der EU-Geschichte
Drei internationale LGBTI*-Organisationen hatten den Fall maßgeblich vorangetrieben, unter anderem auch Forbidden Colours. Direktor Rémy Bonny zeigte sich jetzt nach den Osterfeiertagen hoch erfreut und richtete seine Worte direkt an die zahlreichen Unterstützer der Kampagne – mehrere tausend Menschen hatten online auch eine Petition unterschrieben: „Mit Ihrer Hilfe und der unserer Partnerorganisationen haben wir die größte Menschenrechtsklage aufgebaut, die jemals vor den Gerichtshof der EU gebracht wurde. Ihr Engagement hat dazu beigetragen, die Unterstützung des Europäischen Parlaments und von 15 Mitgliedstaaten für die Klage gegen Ungarns "Anti-LGBT-Propaganda"-Gesetz zu gewinnen. Belgien, Luxemburg, die Niederlande, Portugal, Dänemark, Österreich, Malta, Spanien, Irland, Schweden, Finnland, Slowenien, Griechenland, Frankreich und Deutschland haben sich der Klage angeschlossen“, so Bonny, der weiter erklärt: „Dies war nur der erste Schritt in einem langen Prozess, der etwa zwei Jahre dauern wird. In einigen Monaten werden die teilnehmenden Länder zusammen mit der Europäischen Kommission ihre Argumente gegen das beschämende ungarische Gesetz gegen LGBTIQ+ vor dem EU-Gerichtshof vorbringen können.“
Ein Verfahren gegen Homophobie in ganz Europa
Gegenüber SCHWULISSIMO erklärt Eszter Polgari von der ungarischen LGBTI*-Organisation HATTER, warum das Verfahren so eine große Bedeutung hat, weit über die Grenzen Ungarns hinaus: „Es steht viel auf dem Spiel: Es geht nicht nur darum, dass ein Mitgliedstaat sich nicht an sekundäres EU-Recht hält, sondern es geht darum, einen Trend zur Verabschiedung oder auch nur Erwägung von Anti-LGBTQI-Gesetzen zu stoppen, die die Menschenrechte sexueller und geschlechtlicher Minderheiten ernsthaft untergraben. Der Fall bietet eine gute Gelegenheit, für die Grundrechte und Werte einzutreten, auf denen die gesamte EU beruht. Die Kommission selbst hat den Fall als einen Menschenrechtsfall bezeichnet, indem sie auf die EU-Grundrechtecharta und Artikel 2 EUV verwiesen hat. Es ist zu bedenken, dass das Vertragsverletzungsverfahren weitreichendere Auswirkungen hat: Ein künftiges Urteil des EuGH, in dem festgestellt wird, dass Ungarn gegen EU-Recht verstößt, betrifft nicht nur Ungarn; ein solches Urteil wird in der gesamten Europäischen Union gelten und die Mitgliedstaaten daran hindern, ähnliche Gesetze in ihren jeweiligen Ländern zu erlassen.“
Ein besonderes Augenmerk richtet Polgari gerade auch auf Polen und Rumänien, die mit ähnlichen homophoben Gesetzen liebäugeln. Der einzige EU-Mitgliedsstaat, der der EU-Klage offiziell eine Abfuhr erteilt hat, ist dabei Italien unter der neuen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, deren Ziel es ist, im eigenen Land die Rechte von Homosexuellen weiter zu beschneiden.