Dringender Appell Deutschland soll Führungsrolle bei der weltweiten HIV-Bekämpfung einnehmen, fordern HIV-Experten
Die jüngsten Entscheidungen der US-Regierung, HIV-Präventionsprogramme im Ausland (UNAID/ PEPFAR) sowie neuerdings auch im Inland zu beenden oder die finanziellen Mittel drastisch zu limitieren, sorgt für große Sorgen bei HIV-Experten und Verbänden auch in Europa. Es brauche jetzt schnell neue Lösungen, fordern im Vorfeld des morgen startenden Deutsch-Österreichischen AIDS-Kongresses in Wien jetzt mehrere Vereine, Mediziner und Fachleute.
Millionen neuer Aids-Tote
Das Ziel der Weltgemeinschaft, Neu-Infektionen mit Aids ab 2030 zu beenden, ist derzeit in akuter Gefahr. Dabei stünden alle Erfolge der letzten Jahrzehnte auf dem Spiel, so die HIV-Fachorganisationen in ihrem gemeinsamen Statement. „Wird diese Lücke nicht geschlossen, werden die Folgen verheerend sein: Millionen Aids-Tote, Millionen HIV-Neuinfektionen, Millionen neue Aids-Waisen. Es droht die Rückkehr der Aids-Epidemie, die gerade erst weitgehend eingedämmt worden war.“
Prof. Dr. Stefan Esser, Vorsitzender der Deutschen AIDS-Gesellschaft (DAIG), betonte: „Es ist ein gravierender Verstoß gegen die Menschenrechte und ethisch wie epidemiologisch unverantwortlich, Menschen die lebensrettende Therapie vorzuenthalten. HIV wird sich dann wieder schneller verbreiten, Aids wieder mehr Menschenleben fordern. Epidemien bleiben dabei nicht auf bestimmte Länder beschränkt. Sie müssen global wie national bekämpft werden.“
Forderung nach Ausbau der HIV-Therapie
Und sein Kollege, Prof. Dr. Alexander Zoufaly, Präsident der Österreichischen AIDS-Gesellschaft und Präsident des Deutsch-Österreichischen AIDS-Kongresses, ergänzt: „Aus medizinischer Sicht stehen wir vollends hinter den UNAIDS-Zielen zum Beenden der HIV-Epidemie. Die HIV-Therapie mit anhaltendem Therapieerfolg ist nachgewiesenermaßen die Voraussetzung, um Mortalität und Morbidität bei Menschen mit HIV signifikant zu reduzieren, beziehungsweise zu verhindern. Zusätzlich ist evident, dass unter effektiver Therapie HIV-Neuinfektionen verhindert werden können. Die Verfügbarkeit von HIV-Diagnostik und moderner HIV-Therapie muss daher unbedingt gewährleistet und sogar weiter ausgebaut werden, um von den medizinischen Errungenschaften zu profitieren.“
20.000 Tote durch Trumps Anti-HIV-Agenda
In besonderer Weise verweist das Bündnis der HIV-Fachleute auch auf das Programm PEFAR, das im Jahr 2003 von Ex-Präsident George W. Bush ins Leben gerufen worden war. Bis heute ist PEFAR mit einem jährlichen Etat von mehreren Milliarden US-Dollar das größte Programm weltweit zur Bekämpfung von Aids und für die HIV-Prävention. Die Trump-Administration will das Projekt ganz beenden. Dis bisherige Aussetzung des Programms kurz nach Amtsantritt von Donald Trump habe nach Einschätzung der Experten bereits jetzt mehr als 20.000 Menschen das Leben gekostet. Fallen die US-Mittel dauerhaft weg, rechnet die Organisation UNAIDS mit neun Millionen neuen HIV-Infektionen und mehr als sechs Millionen weiteren Aids-Toten in den nächsten vier Jahren. Insbesondere seien dabei Menschen aus der LGBTIQ+-Community betroffen, so das Bündnis der Gesundheitsexperten weiter.
Führungsrolle für Deutschland?
Die Kernforderung zu Beginn der Aids-Konferenz am Donnerstag: Wirtschaftlich starke Nationen wie Deutschland und Österreich müssten jetzt im Kampf gegen Aids und HIV eine führende Rolle einnehmen. „Die USA sind groß, aber das ist Europa auch – wir können nicht einfach dabei zusehen, dass wieder ein Massensterben beginnt“, so Dr. Roger Vogelmann von der Deutschen Arbeitsgemeinschaft ambulant tätiger Ärztinnen und Ärzte für Infektionskrankheiten und HIV-Medizin (dagnä).
Und seine Kollegin, Andrea Brunner, Geschäftsführerin der Aids Hilfe Wien, gibt zudem zu Bedenken: „Es war schon ein Skandal, dass bisher immer noch mehr als 600.000 Menschen pro Jahr an Aids verstorben sind, denn die medizinischen Mittel waren da – es fehlte nur an politischem Willen und damit an Geld. Wenn jetzt wieder Millionen Menschen ihr Leben lassen müssen, ist das unverzeihlich – und wirft uns global um Jahrzehnte zurück.“ Beim Deutsch-Österreichischen AIDS-Kongress treffen in dieser Woche rund 650 Mediziner und HIV-Experten zusammen.