Dauerhafte Angriffe FBI und Medien verzeichnen einen Wandel in der US-Gesellschaft – immer mehr richten sich gegen LGBTI*
In knapp drei Monaten wählen die US-Amerikaner einen neuen Präsidenten – die Spaltung im Land setzt sich dabei in diesen Tagen immer weiter fort, mittendrin im Kulturkampf steckt die LGBTI*-Community. Noch nie zuvor in der US-Geschichte stand die Frage um Rechte für LGBTI*-Menschen so sehr im Fokus einer landesweiten Wahl. Die Auswirkungen sind jetzt mehr denn je spürbar, denn die Angriffe auf LGBTI*-Einrichtungen und Symbole sind inzwischen an der Tagesordnung.
Attacken werden Alltag
Das Rechercheteam von NBC News hat jetzt ermittelt, dass es in vierzig Städten in den USA allein während des Pride-Monats immer wieder zu Fällen von Vandalismus gekommen ist – nicht einberechnet sind dabei die 110 direkten Attacken auf CSD-Teilnehmer während der Prides im Juni, wie die LGBTI*-Organisation GLAAD bereits ermittelte.
Das überdies Bedenkliche: Seit Beginn des Pride-Sommers kommt es im Vorfeld der US-Wahl beinahe täglich zu Attacken, Randale und Sachbeschädigungen – was früher einmal in der Saison geschah, ist jetzt Alltag geworden. Polizei und Behörden scheinen dagegen weitestgehend machtlos.
Der Zorn auf den Regenbogen
Den stärksten Hass der alltäglichen Randalierer zieht dabei all das auf sich, was in Regenbogenfarben gestaltet ist – von Pride-Fahnen bis hin zu Fußgängerüberwegen. Als ein Beispiel von vielen benennt NBC News die Stadt Boise in Idaho. Die Stadt mit rund 230.000 Einwohnern hat während dem Pride-Sommer Regenbogenfahnen aufgehängt.
In diesem Jahr wurden bereits mehr als sechzig Mal Flaggen gestohlen, heruntergerissen oder direkt verbrannt, wie Michael Dale, Vorstandsvorsitzender von Boise Pride, berichtet: „Das passiert jetzt andauernd. Wir müssen immer wieder neue aufstellen. Aber wenn es irgendetwas über Boise zu sagen gibt, dann, dass wir widerstandsfähig sind. Egal, wie hoch der Preis ist, wir werden nicht klein beigeben.“
Polarisierung bei Trans-Rechten
Die Polizei in Boise und vielerorts zeigt sich dabei überfordert von der Situation, denn längst geschehen diese Übergriffe nicht mehr von einer einzelnen extremistischen Gruppe aus, sondern sind als Zeichen des Unmuts offenbar immer mehr in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Wie in Europa erleben auch die USA einen deutlichen Rückgang der Akzeptanz gegenüber LGBTI*-Menschen, nach Angaben des unparteiischen US-Forschungsinstituts Public Religion Research Institute, kurz PRRI, polarisiert dabei vor allem der Streit um Trans-Rechte.
Eine weitere Entwicklung lässt zudem aufhorchen: Der Widerstand gegen die queere Community wächst landesweit an, Vorfälle dieser Art werden sowohl in mehrheitlich republikanisch wie aber auch demokratisch regierten Bundesstaaten registriert, im ländlichen Raum ebenso wie in den Millionenstädten. Selbst in liberalen Epizentren wie New York City kam es immer wieder zu Angriffen, beispielsweise auch direkt im Umfeld des Stonewall National Monuments, dem Ursprungsort der weltweiten Pride-Bewegung.
Schockierende Feindseligkeit
Das NBC-Team spricht in der Gesamtheit von einem „neuen und schockierenden Ausmaß der Feindseligkeit“. Gegenüber dem Sender bestätigte auch der stellvertretende Generalstaatsanwalt des FBI, Benjamin C. Mizer, dass die Behörde einen deutlichen Anstieg der hassmotivierten Gewalt gegen die LGBTI*-Community feststellt und diese stetig steigenden Attacken keineswegs mehr nur der rechtsextremen Szene zuzuschreiben sind.
Dazu kommt, dass gerade im ländlichen Raum viele Stadtverwaltungen aus Angst immer öfter wohl lieber direkt schweigen – vielleicht auch deswegen, weil einige der LGBTI*-Kritiker vor Ort selbst eine Uniform tragen: „Es gibt viele Gemeinden, die Angst haben, sich bei staatlichen oder lokalen Strafverfolgungsbehörden zu melden, und manchmal wurzeln diese Ängste in einer Geschichte von beunruhigenden Beziehungen zwischen diesen Gemeinden und ihren lokalen Strafverfolgungsbehörden“, so Mizer.
Weckruf für die LGBTI*-Community?
Die Situation sollte als dringender Weckruf verstanden werden – es ist eine gefährliche Mixtur, wenn einerseits der Hass und die Gewaltbereitschaft gegenüber LGBTI* immer weiter in der Mitte der Gesellschaft zunimmt und andererseits immer mehr Behörden wegsehen, wenn es zu Übergriffen kommt. Die einzige, bisweilen verzweifelt wirkende Antwort, die die LGBTI*-Verbände in den USA dazu im Moment parat haben, ist das stetige Einschwören von Homosexuellen und queeren Menschen auf die neue Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris – ob das ausreichen wird, darf bezweifelt werden.