Das Ende der Ampel Aus für mehrere geplante LGBTI*-Projekte
Seit gestern Abend ist die Ampel-Regierung in Deutschland Geschichte – und damit auch mehrere LGBTI*-Projekte, die eigentlich in dieser Legislaturperiode noch umgesetzt werden sollten. Die ersten Reaktionen innerhalb der Community fallen dabei gemischt aus.
Keine Reform des Abstammungsrechts
Mit dem gestrigen Zerwürfnis zwischen SPD und Grüne und der FDP und dem Rauswurf von Finanzminister Christian Lindner gelangen auch alle noch angedachten LGBTI*-Projekte ins Abseits, allen voran die geplante Reform des Abstammungsrechts. Kernziel war es dabei, lesbische Paare so juristisch gleichberechtigt zu stellen, dass auch die nicht leibliche Partnerin mit der Geburt des gemeinsamen Kindes als Mutter anerkannt wird und damit oft jahrelange Stiefkindadoptionen entfallen. Zuletzt hatte Justizminister Marco Buschmann (FDP) im Oktober noch versucht, mit einem ersten Gesetzentwurf den Vorgang zu beschleunigen – nun ist er selbst nicht mehr im Amt.
Bis zur geplanten Vertrauensfrage von Olaf Scholz vermutlich Anfang Januar und den dann wahrscheinlich bis März stattfindenden Neuwahlen sollen nur noch wesentliche Gesetzesaspekte im Bereich Wirtschaft und Haushalt für eine geordnete Übergabe abgeschlossen werden – für die Abstammungsreform dürfte da kein Platz mehr sein. Bereits vorab kaum mehr denkbar, bedeutet das Aus der Ampel aber auch das Scheitern einer Grundgesetzänderung mit dem Passus der „sexuellen Identität“, der die Rechte von LGBTI*-Menschen noch stärker rechtlich schützen hätte sollen.
Ende für den Nationalen Aktionsplan?
Ebenso sehr fraglich bleibt, ob und wie der angedachte Nationale Aktionsplan für mehr Akzeptanz von LGBTI*-Menschen überhaupt noch umgesetzt werden wird, erste Projekte waren frühestens für 2025 eingeplant. Dazu ist völlig offen, ob bei der aktuellen Haushaltsproblematik die Finanzierung überhaupt noch weiter gesichert ist. Zuvor hatten Vertreter der queeren Community über zwei Jahre hinweg Konzepte ausgearbeitet, wie und wo ein Aktionsplan greifen sollte. Mit dem Ende der Ampel könnten sich die Bemühungen nun komplett in Luft aufgelöst haben.
Ernüchterung in der Community
Aus Sicht der Ampel erfolgreich umgesetzt hat die Regierung die Einführung des Selbstbestimmungsgesetzes, das erst vor wenigen Tagen Anfang November in Kraft getreten ist, sowie die Abschaffung der Diskriminierung von homosexuellen Menschen bei der Blutspende in Deutschland. In inoffiziellen Aussagen blicken Vertreter von mehreren queeren Verbänden daher mit Ernüchterung und auch Frust auf das Zerwürfnis der Regierung – offizielle Statements werden heute und in den kommenden Tagen erwartet.
Die queer-politische Sprecherin der Linksfraktion, Kathrin Vogler, zeigte sich in einem ersten Statement kämpferisch und vorausschauend mit Blick auf Neuwahlen im kommenden Frühjahr: „Trump ist gewählt, die Ampel ist aus. Wir sind bereit, den Kampf aufzunehmen. Challenge accepted! Gegen den Rechtsruck hilft nur entschlossene linke Politik. Für ein Land, in dem Würde groß geschrieben und niemand zurückgelassen wird.“
Freude bei Union und schwul-lesbischen Verbänden
Der schwule CDU-Politiker und stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Union, Jens Spahn, erklärte online: „Auch wenn er jetzt starker Mann spielt: Olaf Scholz ist Teil des Problems, nicht der Lösung. Seine mangelnde Führung hat Deutschland in Rezession, Überforderung und Vertrauenskrise geführt. Der Kanzler ist seit 3 Jahren unfähig, mit einer Mehrheit zu regieren. Wieso sollte er das jetzt ohne Mehrheit schaffen? Das ist Taktiererei auf Kosten politischer Stabilität. Olaf Scholz sollte die Vertrauensfrage gleich morgen im Bundestag stellen. Er ist als Kanzler gescheitert. Neuwahlen jetzt!“
Auf X feiern auch einige schwule Aktivisten wie beispielsweise Ali Utlu das Aus der Ampel. Ebenso erfreut zeigten sich in ersten Reaktionen mehrere schwul-lesbische Vereine wie beispielsweise Just Gay. Gründer Florian Greller erklärte dazu: „Wir schwulen Männer begrüßen das Ende der Ampel ausdrücklich und hoffen, dass in einer neuen Regierung auch schwule Bedürfnisse und Bedenken wieder mehr Gehör finden können. Wir sind bereit, uns politisch einzubringen, um die Situation für schwule Männer zu verbessern. Die Ampel hat Gesetze verabschiedet, die mitunter zum Nachteil von Homosexuellen waren. Noch bedauerlicher war dabei in den letzten knapp drei Jahren, dass ein offener Diskurs, eine sachliche Debatte, im Ringen um bestmögliche Ergebnisse für die Community mit Vertretern der Ampel-Parteien wie aber auch mit einigen staatlich finanzierten Vereinen aus der Community nicht mehr möglich war. Wir wünschen uns für die Zukunft eine neue faire Diskussionskultur jenseits religiös-fanatisch anmutenden Ideologien.“