Queerer Aktionsplan Konkrete Maßnahmen sind nicht vor 2025 zu erwarten
Im November 2022 stellte der Queer-Beauftragte der Bundesregierung, Sven Lehmann, den Aktionsplan „Queer leben“ vor – kurz darauf kam es bereits zur ersten Kritik von queeren Vereinen. Eineinhalb Jahre später wurde heute Abend nun erstmals im Bundestag über das Vorhaben debattiert. Ziel des Aktionsplans ist es, die LGBTI*-Akzeptanz in der Gesellschaft zu fördern und damit auch gegen die steigende Hasskriminalität gegenüber Homosexuellen und queeren Menschen vorzugehen.
Langwierige Beratungen
Mehrere LGBTI*-Vereine haben sich in den letzten eineinhalb Jahren inzwischen darüber beraten, wie das zur Verfügung stehende Budget von 70 Millionen Euro am sinnvollsten und effektivsten eingesetzt werden könnte. Ressortübergreifend sollen dabei viele unterschiedliche Maßnahmen ergriffen werden, die Kernbereiche umfassen die rechtliche Anerkennung und Teilhabe, Sicherheit, Gesundheit sowie die Stärkung der Beratungs- und Communitystrukturen und auch internationale Projekte.
In wesentlichen Punkten nimmt der Aktionsplan dabei allerdings immer wieder auch Bezug auf bereits bestehende, anderweitige Projekte der Ampelkoalition, beispielsweise eine immer noch nicht vollzogene Reform des Abstammungsrechts bei Regenbogenfamilien. Insgesamt bleibt der Aktionsplan im Detail sehr vage, die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld hatte den Aktionsplan nach der Vorstellung deswegen bereits als „Hausaufgabenheft“ bezeichnet, in dem vor allem Empfehlungen ausgesprochen werden würden.
Der Schwulen- und Lesbenverband LSVD kritisierte, dass die Bundesregierung nicht „ausreichend finanzielle Mittel“ bereitgestellt hätte. Ein Teil des Budgets ist allerdings bereits in diesem Jahr eingeplant. Vorgesehen sind nach Angaben des Bundesfamilienministeriums insgesamt 342.000 Euro für 2024, um die Projektberatungen „administrativ“ zu begleiten und fortzuführen. Zum Ende der Beratungen stehen so auch 50.000 Euro für eine Abschlussveranstaltung bereit.
Die Linksfraktion zeigte sich zuletzt 2023 erstaunt, dass die Planungsphase so lange andauert und mit konkreten Maßnahmen somit frühestens 2025 zu rechnen ist. Die queer-politische Sprecherin Kathrin Vogler hatte dazu im letzten Jahr erklärt: „Wozu gibt es eigentlich einen Queer-Beauftragten der Bundesregierung und was macht Sven Lehmann eigentlich beruflich?“
„Sie tun genau nichts!“
Lehmann (Grüne) spannte bei der heutigen Debatte dann einen kurzen Bogen zwischen der Abschaffung des Paragrafen 175, der Einführung des Selbstbestimmungsgesetzes bis hin zur Pride-Saison in diesem Jahr. Erneut warb er auch für eine Ergänzung des Grundgesetzes Artikel 3 und erzählte auch über seine eigene Hochzeit – konkrete Details zum Aktionsplan erwähnte Lehmann nicht.
SPD-Mitstreiterin Anke Hennig betonte daraufhin die Gefahr von rechten Kräften und die Leistungen der queeren Politik der Ampel-Regierung - letzteres bekräftigte auch SPD-Kollege Jan Plobner. Der queer-politische Sprecher der FDP-Fraktion, Jürgen Lenders, nannte den Aktionsplan dann eine „Selbstverpflichtung“ für die gesamte Bundesregierung und betonte überdies, wie groß die „Minderheit LGBTI*“ inzwischen ist. Trans-Politikerin Nyke Slawik von den Grünen erwähnte insbesondere, wie wichtig ein Aktionsplan mit Blick auf Mobbing und Hass an Schulen und am Arbeitsplatz ist.
Mareike Lotte Wulf von der CDU/CSU betonte mit Blick auf Lehmann, dass viele Schwule und Lesben mit dem Sammelbegriff „queer“ inzwischen nichts mehr anfangen können, eine Differenzierung wäre hier wichtig. Die Vereinnahmung hingegen lehne sie ab. Zudem habe Lehmann unabhängige Beratungszentren gerade für LGBTI*-Jugendliche versprochen, doch es mangele an tatsächlich unabhängigen Einrichtungen. Wulf sichtlich aufgebracht: „Sie tun genau nichts!“ Unions-Kollegin Bettina Margarethe Wiesmann bekräftigte ebenso, dass die Ampel-Regierung bisher sehr wenig geleistet habe - zudem betonte sie die aus ihrer Sicht möglichen Gefahren des Selbstbestimmungsgesetzes für Jugendliche.
Gökay Akbulut von der Linksfraktion kritisierte ähnlich wie Wulf sowie auch Susanne Hierl, beide von der Union, die sehr lange Planungsphase des Aktionsplans, der drohe, damit zu einem "Feigenblatt" der Ampel zu werden. Zudem würden im Aktionsplan soziale Aspekte wie Wohnungslosigkeit bei LGBTI*-Menschen nicht beachtet.
AfD fordert Abschaffung des Queer-Beauftragten
Nach der rund 40-minütigen Debatte soll jetzt die Federführung der weiteren Beratungen das Familienministerium übernehmen. Der heutige Entschließungsantrag der AfD wurde indes abgelehnt. Die Partei erklärte darin, der Aktionsplan sei ein „linksideologischer Angriff auf die traditionelle Familie, die Wissenschaft und das Wohl insbesondere von Kindern, Jugendlichen und Frauen“ und forderte, die Stelle des Queer-Beauftragten abzuschaffen und keine weiteren Maßnahmen durchzuführen. Stattdessen bedürfe es laut der AfD eines Aktionsplans zur Stärkung einer „kinder- und familienfreundlichen Gesellschaft.“ Zuvor in der Debatte hatte Martin Reichardt die Politik der Ampel direkt als "queeren Firlefanz" bezeichnet, die Regierung betreibe nur Minderheiten-Politik.