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Erneute Rufmord-Kampagne an einer Universität

Cancel Culture in Lüneburg Aktivisten werfen Juristin Transphobie vor

ms - 06.10.2022 - 10:00 Uhr
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Korrektur: Die erste Version des Artikels enthielt mit Bezug auf die Berichterstattung der FAZ zwei Fehler, die die FAZ inzwischen korrigiert hat: Eingangs wurde in dem Beitrag erklärt, dass der Vertrag von Frau Asteriti aufgrund der Einlassungen der Trans-Community nicht verlängert worden sei. Richtig ist, dass die Juniorprofessur von Frau Asteriti vertragsgemäß nach Ablauf von sechs Jahren endete. Eine rechtliche Möglichkeit, die Juniorprofessur über sechs Jahre hinaus zu verlängern, bestand nicht. Zum zweiten wurde erklärt, dass eine Konferenz von Frau Asteriti aufgrund studentischer Beschwerden abgebrochen worden sei. Richtig ist, dass die Konferenz stattgefunden hat.

Abermals ist in diesen Tagen eine Universität aufgrund von Cancel Culture in die Schlagzeilen geraten – dieses Mal handelt es sich um die Universität in Lüneburg. Die FAZ spricht von einer regelrechten Rufmord-Kampagne, der sich eine Wirtschaftsjuristin seit 2019 ausgesetzt sah. Hintergrund abermals ist die angebliche Transphobie der jungen Frau.

Konkret geht es dabei um die Wirtschaftsjuristin Alessandra Asteriti, die an der Universität Lüneburg als Juniorprofessorin Wirtschaftsrecht lehrte und 2019 in einem Tweet auf Twitter darüber aufklärte, warum aus ihrer fachlichen Sicht die körperliche Unterscheidung von Männern und Frauen im internationalen Recht immens wichtig sei, gerade auch mit Blick auf Aspekte wie Ausbeutung, Unterdrückung oder Benachteiligung von Frauen. Was folgte, war ein allzu bekannter Shitstorm, ausgelöst laut Asteriti von Vertretern der queeren Trans-Community. Auf Twitter soll Asteriti zeitgleich als Nazi beschimpft worden sein und Todesdrohungen erhalten haben.

In einem anderen Fall ließen sich die Akteure klar benennen, so die Juristin weiter: Im September 2020 war versucht worden, eine Onlinekonferenz bezüglich Menschenrechtsfragen in letzter Minute abzubrechen - Studenten sollen sich über die angebliche Transphobie von Asteriti beschwert haben. Nach Angaben der Universität fand die Veranstaltung allerdings trotzdem statt. Die Wirtschaftsjuristin beklagt gegenüber der FAZ, dass die Universität sie nicht verteidigt oder gegen diese Kampagne unterstützt habe. Ähnliches wirft auch die Biologin und Doktorandin Marie-Luise Vollbrecht der Berliner Humboldt-Universität vor – seitdem Vollbrecht im Sommer einen Vortrag zur biologischen Zweigeschlechtlichkeit halten wollte, sieht sie sich bis heute massiven Anfeindungen und Angriffen ausgesetzt. Im Fall von Asteriti weist die Universität jede Verantwortung von sich und will ebenso nicht zur Frage der zwei biologischen Geschlechter Stellung beziehen. Im Dezember 2020 schließlich forderte der Allgemeine Studierendenausschuss (AstA) der Universität Lüneburg zusammen mit mehreren LGBTI*-Organisationen, dass sich die Leitung der Bildungseinrichtung öffentlich von Asteriti distanzieren solle. Die Universitätsleitung schwieg nach Angaben der FAZ und Asteriti ging eigenständig ins Gespräch mit jenen Studenten, die ihr Transphobie vorwarfen, doch auch das half offenbar nichts. Gegenüber der FAZ erklärte die Juristin, sie habe sich wie in einer “gehirngewaschenen Sekte“ gefühlt. Am Ende verließ Asteriti vertragsgemäß nach sechs Jahren die Universität. Das “Netzwerk Wissenschaftsfreiheit“ hat inzwischen über fünfzig solcher Fälle in den vergangenen zehn Jahren dokumentiert. Für die FAZ ist klar, dass die bekannt gewordenen Fälle dabei nur die “Spitze des Eisbergs“ seien.    

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