Anti-LGBTI*-Propaganda „Die Zeit des Schweigens und der diplomatischen Zurückhaltung ist vorbei.“
Die internationale LGBTI*-Organisation Forbidden Colours hat jetzt angekündigt, zeitnah eine Liste von russischen Agenten in Europa veröffentlichen zu wollen, die gezielt in Europa seit geraumer Zeit Anti-LGBTI*-Propaganda betreiben würden, um die LGBTI*-Community zu schwächen.
Zeit des Schweigens vorbei
Direktor Rémy Bonny erklärte dazu: „Russland hat es schon zu lange geschafft, unsere Gemeinschaft ins Visier zu nehmen, um die europäische Demokratie zu destabilisieren. Die Zeit des Schweigens und der diplomatischen Zurückhaltung ist vorbei. Es ist Zeit zum Handeln. Wir sind solidarisch mit allen LGBTI*-Personen in Russland und auf der ganzen Welt, die für ihr Recht kämpfen, frei und offen zu leben, ohne Angst vor Verfolgung oder Gewalt.“
Die Liste könnte auch deswegen pikant sein, weil nicht alle russischen Agitatoren bereits öffentlich bekannt sind, einige von ihnen sollen auch im Hintergrund in Medienunternehmen oder auch in der Politik einiger europäischer Länder aktiv sein.
Reaktion auf „terroristische LGBT-Bewegung“
Die Ankündigung von Forbidden Colours ist eine direkte Folge der Entscheidung Russlands, die „internationale LGBT-Bewegung“ als extremistisch einzustufen. Zu Beginn des Jahres traten die entsprechenden Richtlinien bereits in Kraft, Ende letzter Woche wurde die „LGBT Bewegung“ offiziell auch in die Liste von extremistischen Terror-Organisationen aufgenommen.
Die Einstufung erlaubt in Russland nicht nur, willkürlich gegen LGBTI*-Verbände vorzugehen und Mitarbeiter zu verhaften, sondern auch jeden einzelnen Homosexuellen zu überwachen, Bankkonten einzufrieren oder ihn ebenso festzunehmen. Mitarbeiter von LGBTI*-Verbänden erwartet dabei eine Haftstrafe von bis zu zehn Jahren, Einzelpersonen können bis zu fünf Jahre ins Gefängnis kommen.
Verstärkt Razzien in Gay-Clubs
Wie beliebig das Gesetz künftig verstärkt Anwendung finden kann, zeigte bereits ein erster Fall im Januar dieses Jahres: Eine lesbische Frau war inhaftiert worden, weil sie auf ihren privaten Social-Media-Konten eine Regenbogenflagge gepostet hatte. Der Prozess läuft noch, im Ernstfall drohen ihr bis zu vier Jahren Gefängnis.
Immer wieder war es seitdem auch zu Razzien in Gay-Clubs und schwulen Saunen in Moskau gekommen, zuletzt machte letzte Woche ein Fall aus der Stadt Orenburg Schlagzeilen: Zwei Mitarbeiter der Schwulenbar „Pose“ wurden festgenommen. Der Vorwurf: Im Rahmen einer Dragshow hätten die Betreiber die „Ansichten und Aktivitäten der internationalen LGBT-Bewegung unterstützt“. Bei der Razzia waren die Personalien aller Besucher aufgenommen worden, die sich während der ganzen Zeit mit dem Gesicht nach unten auf den Boden legen mussten.
Bonny von Forbidden Colours erklärte dazu weiter: „Indem Russland eine ganze Gemeinschaft mit terroristischen Organisationen gleichsetzt, öffnet es der weiteren Diskriminierung, Gewalt und Verfolgung Tür und Tor. Ich verurteile diese grausame und ungerechtfertigte Maßnahme auf das Schärfste. Dies ist nicht nur ein Angriff auf die LGBTI*-Gemeinschaft, sondern auch auf die universellen Werte der Freiheit, Gleichheit und Menschenwürde.“
EU und Bundesregierung schweigen
Ähnlich wie der Lesben- und Schwulenverband Deutschland oder auch ILGA Europe forderte jetzt auch Forbidden Colours eine Reaktion seitens der EU: „Wir fordern die Europäische Union und ihre Mitgliedsstaaten auf, auf diese Provokation mit Nachdruck und Geschlossenheit zu reagieren. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass die EU konkrete Maßnahmen ergreift, um Russland für diesen Akt staatlich gesteuerter Homophobie zur Verantwortung zu ziehen. Wir fordern gezielte Sanktionen gegen die Verantwortlichen und eine verstärkte Unterstützung für LGBTI*-Personen innerhalb und außerhalb Russlands“, so Bonny. Weder die EU noch die Bundesrepublik Deutschland haben dazu bisher konkret Stellung bezogen beziehungsweise genaue Maßnahmen verlautbaren lassen.